Als die Bayern den Aufstand probten
admin | Posted 25/06/2008 | Autoren | Keine Kommentare »In einem übersichtlich gestalteten Band schildert die Historikerin die Lebenswege der Protagonisten der Münchener Räterepublik.
Bis zum November 1918 waren 910000 bayerische Soldaten zu den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs gezogen, das waren rund 13 Prozent der bayerischen Gesamtbevölkerung. 180000 von ihnen blieben im Feld, über 400000 kehrten verwundet zurück. Da nimmt es kein Wunder, dass ein Großteil der bayerischen Bevölkerung sich von Wilhelm II. und seinen Chargen betrogen sah: "Kanonenfutter für Berlin" klagten viele.
Das war der Nährboden für die Revolution, die als die "Münchener Räterepublik" in die Geschichte eingehen sollte. Unter Führung des ethisch überzeugten Sozialisten Kurt Eisner erlebte Bayern vom 7. November 1918 bis zum 2. Mai 1919 eine Rätedemokratie, deren Namen indes nicht darüber hinwegtäuschen soll, dass diese Zeit von Chaos und gewaltsamen Auseinandersetzungen sowie politisch-ideologischen Verwirrungen geprägt war.
Michaela Karl verzichtet in ihrem Band darauf, eine Chronologie der Ereignisse vorzulegen. Das haben schon einige andere vor ihr getan, am prominentesten vielleicht Tankred Dorst in seinem mit Augenzeugenberichten gesättigten Standardwerk "Die Münchner Räterepublik – Zeugnisse und Kommentar" von 1966.
Der 37-jährigen geht es vielmehr darum, die Lebenswege der beteiligten Hauptpersonen aufzuzeigen, denn "die Geschichte tut nichts, sie besitzt keinen ungeheuren Reichtum, sie kämpft keine Kämpfe! Es ist vielmehr der Mensch, der wirkliche, lebende Mensch, der alles tut, besitzt und kämpft; es ist nicht die Geschichte, die den Menschen zum Mittel braucht, um ihre – als ob sie eine aparte Person wäre – Zwecke durchzuarbeiten, sondern sie ist nichts als die Tätigkeit des seine Zwecke verfolgenden Menschen". Die Bemühung dieses Zitats von Marx und Engels aus dem Jahre 1945 dient als Fundament ihrer Arbeit.
So sind es u.a. Kurt Eisner, Ernst Niekisch, Ernst Toller oder Eugen Leviné, denen sie ihre Aufmerksamtkewit schenkt und mit deren Hilfe sie deutlich macht, wie es ausgerechnet in Bayern zu dieser sozialistisch ausgerichteten Revolution kommen konnte, die schließlich zur Ausrufung des Freistaats geführt hat. Das freilich, so Karl, ist den bayern heute noch immer ein bisschen peinlich.
Michaela Karl: Die Münchener Räterepublik, Patmos, 276 Seiten, 24,90