In Schrebers Garten

admin | Posted 14/06/2008 | Belletristik | Keine Kommentare »

Daniel Gottlob Moritz Schreber

In vielen Romanen hat sich der Würzburger Autor Klaas Huizing bereits deutscher und europäischer Personen und Themen angenommen. Dieses Mal ist es nun der vor knapp 100 Jahren gestorbene Paul Schreber, der Kunst und Wissenschaft seither gleichermaßen provoziert und fasziniert.

Paul Schreber ist aufgewachsen in durchaus behüteten Verhältnissen mit einer an Stärke und Umsicht gewinnenden Mutter und einem übermächtig erscheinenden Vater, der später bar jeder Hoffnung dem Siechtum verfällt.

Die familiäre Last des Sohnes wiegt schwer, war doch der Vater in seinen besseren Tagen als Arzt ein Begründer der Krankengymnastik, der mit der Erholung seiner Patienten im Freien auch die private Nutzung kleiner Gärten auf den Weg brachte.

Seine "Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken" sind weltberühmt und ein bewegendes Zeugnis aus der Welt eines Verrückten. Klaas Huizing erzählt die Geschichte Schrebers vor dem Hintergrund des historisch Überlieferten neu. Er zeigt ihn gleichermaßen als Verzweifelten und auch als Hoffnungsträger, der die Möglichkeit eines anderen Lebens in sich birgt.

Moritz Schreber, Erfinder der Zimmergymnastik und des Schrebergartens, regiert seine Familie mit eiserner Hand. Die Kinder werden zwangsweise körperlich ertüchtigt und mechanisch geradegehalten. Der sensible Paul versucht während der ganzen Kindheit, sich dem Diktat des Vaters zu entziehen.

Er verweigert das ärztliche Erbe, überlebt den einst übermächtigen Bruder, wird erfolgreicher Jurist und heiratet eine Frau, die von seiner Mutter abgelehnt wird. Und dann gibt es noch die Innenwelt von Paul Schreber, bevölkert von Angst und sexuellen Obsessionen.

Als der Spagat zwischen außen und innen nicht mehr gelingt, wird Paul verrückt. Die Außenwelt entmündigt ihn; er wird zum berühmten Fall für Psychiater.

Huizing zeigt uns Schreber als innerlich freien Menschen, der am Ende als stiller Gewinner im großen Lebensspiel erscheint.
Denn trotz aller Not haben wir uns Schreber als glücklichen Menschen vorzustellen. Er bleibt bei sich und taugt damit als Gegenentwurf für eine Welt, aus der immer mehr Menschen aussteigen wollen.
Klaas Huizing beschreibt die Qualen der zu Forschungsobjekten degradierten Kinder mit peinigender Präzision, aber ohne sinnlose Effekthascherei.

Wohl selten hat man im Roman eine so echte Paranoia beschrieben, wie sie Huizing hier gelungen ist. Es ist ein exzellent recherchiertes Buch, das uns die Zeit, die für unsere Kulturgeschichte so wichtig ist, ein großes Stück näher bringt. Letztlich ist es Huizinger gelungen einen sehr historischen und doch ganz persönlichen Roman zu schreiben.


Das Buch

In Schrebers Garten (Gebundene Ausgabe)
von Klaas Huizing
286 Seiten

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