Das papierlose Buch
admin | Posted 01/01/2009 | Preise und Events | Keine Kommentare »
Mit elektronischen Lesegeräten werden wir einiges verlieren, was uns vertraut und lieb geworden ist. Aber sie haben auch positive Seiten.
Steht uns wieder eine Revolution ins Haus – wie damals, als Johannes Gutenberg den Buchdruck erfand und das Lesen über die gebildeten Stände hinaus unters Volk brachte?
Geht die Ära Gutenberg zu Ende und mit ihr die Idee der Bibliothek? Wird es irgendwann keine gedruckten Bücher mehr geben?
Gemach. Als vor zehn Jahren die ersten elektronischen Lesegeräte auf den Markt kamen, reagierte die Branche mit apokalyptischen Visionen.
Doch die Menetekel lösten sich rasch in Luft auf. Eine Konkurrenz für das Gedruckte zwischen zwei Pappdeckeln konnte die erste Generation der E-Book-Reader nicht sein: Die Technik war noch nicht ausgereift.
Die Geräte wogen zu viel, der Lesekomfort ließ zu wünschen übrig, es gab keine organisierten Vertriebswege.
Das Thema schien erledigt. Das war vorschnell gedacht.
Was technologisch machbar ist und ökonomischen Erfolg verspricht, wird in der Regel durchgesetzt – und siehe da: Auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse machte der Sony-Konzern ordentlich Wirbel um seinen neuen E-Reader PRS 505.
Das flache Gerät, das im Frühjahr in Deutschland auf den Markt kommt (wohl noch vor dem Konkurrenten Kindle, den der Internetbuchhändler Amazon mit Erfolg in den USA vertreibt), ist so groß wie ein Taschenbuch.
Es ist mit 260 Gramm leichter als jeder Schmöker.
Und durch die so genannte E-Ink-Technik kann sein Bildschirm mit wenig Strom ein gestochen scharfes, dem Buchstabendruck ähnliches Schriftbild liefern.
Tausende von Büchern lassen sich mit Speicherkarten auf den E-Reader herunterladen; allein sein interner Speicher bietet Platz für 150 Bücher.
Also dann: ab in die Ferien ohne schwere Lektürelast im Koffer? Kein Rieseln von Sand mehr durch vom Sonnenöl fettige Seiten?
Keine zerfledderten Tausendseiter mit hässlichen Eselsohren mehr in der ohnehin übervollen Umhängetasche?
Und zuhause gemütlich im Bett oder auf dem Sofa mit dem E-Reader, bei dem man, statt umständlich umzublättern und ein Lesezeichen einzulegen, einfach nur auf den Knopf drückt?
Man kann es sich nicht vorstellen. Das Buch besteht nicht nur aus – neudeutsch gesprochen – Content. Es ist ja auch ein sinnlicher Gegenstand, den man riechen, fühlen, sehen will.
Lieblingsbücher nur noch abstrakt auf dem Bildschirm und nicht greifbar, auch nicht als Leihgabe an den besten Freund, die beste Freundin?
Ein gruseliger Gedanke für alle, die Bücher lieben.
Das Buch wird bleiben. Aber es wird seine einzigartige Stellung womöglich verlieren.
Es hängt viel davon ab, wie stark die Verlage in das Geschäft mit den E-Books einsteigen – und wie sehr die junge Generation
ihr Leseverhalten umstellt.
Die Preisbindung in Deutschland wird eine Billigkonkurrenz zum gedruckten Buch verhindern.
Nur 20 Prozent weniger sollen die über den Sony-Reader in Zuammenarbeit mit den Thalia-Buchhandlungen und dem Großhändler
libri vertriebenen E-Books kosten.
Mit dem papierlosen Buch tun sich auch neue Möglichkeiten auf.
Vergriffene Titel könnten auf elektronischem Weg schnell wieder "lieferbar" sein. Auch kleine Auflagen könnten sich lohnen – wenn das E-Book die Leser nicht noch stärker auf Bestseller polt.
Das elektronische Lesegerät statt kiloweise Schulbücher im Ranzen: Das ist die schönste Vision.
Text: Bettina Schulte für die Printausgabe von Seite 4