Der österreichische Schriftsteller Gert Jonke ist gestorben
admin | Posted 06/01/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
Er galt als Sprachspieler und literarisches Multitalent: Gert Jonke
prägte die österreichische Gegenwartsliteratur wie wenige andere
Schriftsteller. Jetzt ist der Autor am 4.01.2009 im Alter von 62 Jahren
gestorben.
Gert Friedrich Jonke wurde am 8. Februar 1946 in Klagenfurt geboren.
Er besuchte das humanistische Gymnasium und das Kärntner Landeskonservatorium in seiner Heimatstadt.
Nach Ableistung des Wehrdienstes studierte er ab 1966 Germanistik, Geschichte, Philosophie und Musikwissenschaft an der Universität Wien und besuchte die Akademie für Film und Fernsehen.
1970 war er Mitarbeiter in der Hörspielabteilung des Süddeutschen Rundfunks.
1971 ging er mit einem Stipendium nach West-Berlin, wo er fünf Jahre blieb. Es folgten ein einjähriger Aufenthalt in London und ausgedehnte Reisen in den Mittleren Osten und nach Südamerika.
Seit 1978 hielt sich Jonke wieder in Österreich auf, er hatte seinen Wohnsitz in Wien, wo er als freier Schriftsteller tätig war.
Jonkes Stil war – ausgehend von der Sprachskepsis experimenteller Literatur – beeinflusst von Techniken und Schreibweisen konkreter Poesie und gesellschaftskritisch.
Sein erstes Buch, "Geometrischer Heimatroman" machte den Schriftsteller 1969 mit einem Schlag international bekannt.
Die Erzählung "Schule der Geläufigkeit" (1977) ist im Rahmen des ästhetischen Prinzips stärker inhaltlich ausgerichtet, geht über die Sprachkritik hinaus auch von realen Geschehnissen aus.
Jonke griff hier die Idee der Zusammenfügung von Erinnerung und Gegenwart auf: Zuletzt feierte Jonke mit seinen oft grotesken und fantastischen Theaterstücken in Wien Erfolge.
Er schrieb dazu Romane, Gedichte, Hörspiele und Drehbücher. 1977 war er der erste Preisträger des Ingeborg-Bachmann-Preises.
Der vielfach ausgezeichnete Autor erhielt dreimal den Nestroy-Autorenpreis, zuletzt 2008 für "Freier Fall".
Sein letztes erschienenes Buch war eine Sammlung seiner Theatertexte.
Für Jonkes Lektorin Angelika Klammer ist sein 1979 erschienener Roman "Der ferne Klang" sein wichtigstes Prosawerk.
Ein junger Mann – offenbar der Komponist aus Jonkes Roman "Schule der Geläufigkeit" – erwacht eines Morgens nicht in seinem gewohnten Zimmer, sondern im Zimmer eines Krankenhauses, ohne allerdings zu wissen, warum.
Die gegen ihn vorgebrachte Erklärung, er habe am Abend zuvor daheim mit einer Überdosis Tabletten einen Selbstmord versucht, bleibt ihm mangels Erinnerung eine unbegreifliche Zumutung.
Da er sich zudem und aufs plötzlichste in eine offenbar hinreissend schöne Krankenhausangestellte verliebt hat, die er dort jedoch nicht wiederfindet, flieht er aus dem Spital, um sie zu suchen und in der Hoffnung, irgendwo und irgendwie seinem eigenen rätselhaften Fall auf die Spur zu kommen.
Es ist der Beginn einer ereignisreichen Odyssee, deren Höhepunkt ein orgiastisches Volksfest und deren Ausklang eine letzte Überraschung und endlich die Betrachtung eines einsam euphorisch hereinbrechenden Abends sind. Das ist das eine.
Das andere ist Jonkes Sprache. Sie nutzt lustvoll und erfindungsreich die komischen Möglichkeiten einer komplexen Syntax, wobei einander Existentielles und Artistisches die Waage halten.
Dahinaus aber öffnet sie sich immer wieder zu Passagen von so unerhörter Poesie, dass es den Atem verschlägt.
Wie eine Wunderblume steckt dieser große Roman in der Literatur der letzten Jahrhunderthälfte.