Der Briefwechsel
admin | Posted 09/02/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
Von reizenden Komplimenten für die "geliebte Bibliothek Suhrkamp"
bis zu Schimpftiraden über die "hundsgemeinen Hinschlachtung" eines
seiner Theaterstücke, von gnadenlosem Geschacher um Honorare und
Vorschüsse bis zu tiefem Verständnis eines Verlegers für seinen
komplizierten Autor: Der von 1961 bis 1988 reichende Briefwechsel
zwischen Thomas Bernhard und Siegfried Unseld ist stets ein fesselndes
Zwei-Personen-Stück.
Und wer könnte dieses Beziehungsdrama besser verkörpern als die beiden Doyen des Burgtheaters, Gert Voss und Peter Simonischek?
Thomas Bernhard, der in seiner gnadenlosen Prosa vor keinem aggressiven Superlativ zurückschreckte, war sicher kein umgänglicher Mensch.
Ob es um die adäquate Würdigung seiner Arbeit, die angemessene Herausgabe seiner Bücher oder die starrsinnig-egomanische Einforderung seiner Honorare und Vorschüsse als Schriftsteller gegenüber seinem Verleger ging, der von 1961 bis 1988 reichende Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld ist stets ein fesselndes Zwei-Personen-Stück.
Die beiden Hauptdarsteller dieser eindringlichen und bei aller Sachlichkeit auch sehr spannenden Lesung werden kongenial verkörpert von den Theater-Urgesteinen Peter Simonischek (Bernhard) und Gert Voss (Unseld).
Das Casting stimmt bis ins Detail. Simonischek gibt den grantelnden Bernhard mit bärbeißigem Charme. Nur ganz selten scheint auch einmal die etwas sonnigere Seite des Schriftstellergemüts auf, etwa wenn eine Buchvorstellung besonders gelungen ist, so dass sie der Eitelkeit des Egozentrikers Bernhard schmeichelt.
Bernhards im Brustton der Überzeugung vorgetragene Selbstverliebtheit, die Widerspruch weder von Seiten des Verlegers, noch seitens seiner Lektoren duldet, ist für den Zuhörer bisweilen nur schwer erträglich. Man ertappt sich mehr als einmal dabei zu denken, was sich dieser eitle, griesgrämige Autor denn eigentlich gegenüber seinem duldsamen Verleger noch alles herausnehmen würde.
Und dann hört man voller Spannung den bedächtig gewählten Worten des großen Siegfried Unseld zu, der es immer wieder fertig bringt, selbst den ungerechtesten Anwürfen Bernhards sachlich und freundlich zu begegnen. Wo anderen Verlegern mit Sicherheit mehr als einmal der Kragen geplatzt wäre, da lässt Unseld Besonnenheit walten. In einigen “Notizen”, die hier und da den Briefwechsel durchziehen, und eben nicht an Bernhard abgeschickt wurden, aber lässt Unseld ab und an etwas Dampf ab und spricht von der Schwierigkeit, den vielen Neurosen Bernhards noch Herr zu werden. Freilich tut er das auf eine sehr distinguierte und unaufgeregte Art und Weise. Ausfallend, so wie sein aufbrausender Dichterfürst Bernhard, wird Unseld nie.
Die historische Dimension dieses Briefwechsels wird deutlich, wenn sich Bernhard und Unseld über den Eklat austauschen, den das Stück “Heldenplatz” am Wiener Burgtheater auslöste. Sogar Morddrohungen erhielt Bernhard dafür, weil er seine Heimat Österreich, die er oft als “unerträglich” beschrieb, darin angeblich durch den Dreck zieht.
Zuvor hatte der Komponist Gerhard Lampersberg die Verbreitung von Bernhards Buch “Holzfällen” in Österreich per Gerichtsbeschluss untersagen lassen, weil er sich und seine Frau darin verbal verunglimpft sah. Thomas Bernhard reagierte prompt und verhängte ein Auslieferungsverbot seiner Literatur in Österreich. Bei all diesen Skandalen wich Verleger Siegfried Unseld niemals von der Seite seines Ausnahmeautoren. Er hielt ihm durch dick und dünn die Treue und konnte dennoch nicht verhindern, dass Bernhard oft einen anonymen Feind anstelle eines wohlwollenden Freundes im Suhrkamp-Verlag erblickte.
Der Briefwechsel ist ein faszinierendes Zeitdokument, dessen Vertonung durch getragenen Stimmen von Peter Simonischek und Gert Voss schlichtweg hervorragend gelungen ist.
Thomas Bernhard (1931-1989) war einer der bekanntesten österreichischen Erzähler des zwanzigsten Jahrhunderts.
Er wuchs in Wien und in Seekirchen am Wallersee auf, wurde für kurze Zeit in ein Heim für schwer Erziehbare geschickt, brach seine Schulausbildung ab und wurde Kaufmannsgehilfe.
Von 1947 bis 1948 arbeitete er als Lehrling. Dabei zog er sich eine Lungenentzündung zu, die sich zur Tuberkulose ausweitete.
Er verbrachte die nächsten beiden Jahre in verschiedenen Krankenhäusern. Nach seiner Genesung wurde er Gerichtsreporter.
Er studierte Gesang und veröffentlichte erste Texte. Der Durchbruch als Romanautor gelang ihm 1963 mit "Frost", weitere Romane folgten.
Auch als Dramenautor machte sich Bernhard einen Namen.
Ab 1965 lebte er in Wien und auf einem oberösterreichischen Gutshof. 1984 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen seines Romans "Holzfällen".
1970 wurde Thomas Bernhard mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet.
Siegfried Unseld zählt zu den bekanntesten deutschen Verlegern
überhaupt.
1924 in Ulm geboren, schloss Unseld 1951 sein Studium der
Germanistik, Philosophie und Bibliothekswissenschaft mit einer
Dissertation über Hermann Hesse ab.
Hesse war es auch, der Unseld
überzeugte, eine Arbeit beim Verleger Peter Suhrkamp aufzunehmen. Nach
dem Tode Suhrkamps 1959 übernahm Unseld als alleiniger Verleger das
Unternehmen. Er starb 2002 nach schwerer Krankheit in Frankfurt am
Main.
Peter Simonischek wurde 1946 in Graz geboren. Er spielte an vielen großen Bühnen in Österreich und Deutschland und war u. a. 20 Jahre Mitglied des Ensembles der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin.
Seit 1999 spielt er am Wiener Burgtheater. Zudem war er in zahlreichen Kino- und Fernsehfilmen zu sehen, so u. a. in Fürchten und Lieben von Margarethe von Trotta und im Tatort.
2006 erhielt er den Adolf-Grimme-Preis.
Gert Voss wurde 1941 in Shanghai geboren. Er studierte Germanistik und
Anglistik, bevor er ab 1964 privaten Schauspielunterricht nahm. Erste
Engagements erhielt Voss in Konstanz, München und Stuttgart.
1986
wechselte er dann ans Wiener Burgtheater, zu dessen Ensemble er noch
heute zählt.
Thomas Bernhard schätzte die Arbeit von Voss so sehr, dass
er ihm und zwei seiner Kollegen mit dem Stück "Ritter, Dene, Voss" 1984
ein Denkmal setzte.