Liebesgeschichte ohne Kitsch:

Petra Bohm | Posted 24/08/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »

Sibylle Bergs «Der Mann schläft»: Weder ist sie reich, noch verfügt sie über blendende Kontakte, ihr Aussehen ist nur noch ein schwaches Zitat früherer Attraktivität…

Sie wollte heim. Eine Frau in den 40ern spürt schmerzlich, dass sie älter wird. Die Frau ist allein und sehnt sich nach einem Mann, der nicht am nächsten Morgen verschwindet. Sie will keine albernen Anstrengungen mehr unternehmen, um jung zu wirken, was zunehmend ein sinnloses Unterfangen würde. Sie will sich ausruhen, denn die Jahre ohne verlässlichen Partner waren anstrengend.

Als sie schon kaum mehr glaubt, dass sich irgendjemand ernsthaft für sie interessiert, trifft sie ihn: den Mann. Den einen. Den einzigen. Sie nennt ihn nur den Mann, damit er nicht verschwindet, weil doch alles verschwindet, dem man einen Namen gibt. Doch das Schicksal lässt sich nicht betrügen: Nach vier glücklichen Jahren passiert auf einer Reise, irgendwo in China, genau das, wovor sich die Frau am meisten fürchtet: der Mann kommt ihr plötzlich abhanden.

Die Schriftstellerin Sibylle Berg schildert in ihrem neuen Roman «Der Mann schläft» eine Liebe, in der sich eine Art familiäres Wohlgefühl einstellt. Es gibt hier keine Kerzen, keine Rosen, keinen Kitsch. Die Liebenden fallen nicht in zügelloser Begierde übereinander her und reißen sich ständig die Kleider vom Leib. Aus der Sicht der alternden Frau wird vielmehr von einer Liebe erzählt, die ruhig und still verläuft, die freundschaftlich ist und eine gewisse Niedlichkeit ausstrahlt. Es geht um das Aufgehoben-Sein. Die Frau liebt den Mann vor allem deshalb, weil er sie liebt: Er war nicht auffallend schön oder reich, kein guter Redner oder charmant auf eine Art, die ihm Bewunderung einbrachte. «Außer dass er mir das Gefühl gab, ich sei liebenswert, tat er sich in keinem Bereich mit Glanzleistungen hervor.»

Aber man darf sich nicht täuschen. Sibylle Berg erzählt nie nur harmlose Geschichten. Auch wenn es ihr vortrefflich gelingt, in «Der Mann schläft» die Sehnsucht des Lesers zu wecken nach diesem Gefühl des Nachhause-Kommens, stört die Autorin doch selbst häufig die von ihr geschaffene Idylle. Mit unbändiger Lust lässt Berg ihre Ich- Erzählerin gegen die Dummheit der Welt und gegen gesellschaftliche Zu- und Missstände zu Felde ziehen. Besonders bekommen jene Frauen ihr Fett weg, die zwar von Emanzipiertheit sprechen, sich dann aber gegen Machtkämpfe und Ungemütlichkeit entscheiden und sich ins rein Private zurückziehen. Die Wut der Erzählerin auf die Geschlechtsgenossinnen legt sich nur durch das Beisein des Mannes.

So wie die Ich-Erzählerin von ihren Mitmenschen den Willen zur Anstrengung einfordert, so nötigt auch der Roman dem Leser einiges ab. Sprünge in verschiedene Zeitebenen machen es nicht eben leicht, der Handlung zu folgen. Zwischenhandlungen mit surrealen, fast aberwitzigen Zügen verstärken dabei die Trostlosigkeit und irritieren zudem stellenweise.
©Isabelle Pfleiderer/dpa

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