Pop-Literat unvollendet – Werkausgabe von Jörg Fauser
Books | Posted 25/08/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »
Berlin (dpa) – Das Leben von Jörg Fauser ist seit 22 Jahren vorbei. Zu Ende ging es am 17. Juli 1987 auf der A94, einem besonders trostlosen Stück deutscher Autobahn zwischen München-Riem und Feldkirchen, morgens um halb vier.
Fauser war dort zu Fuß unterwegs, nachdem er im Hofbräuhaus und in der «Schumann’s»-Bar seinen 43. Geburtstag gefeiert hatte und dann noch im Puff war. Was der Schriftsteller auf der A94 zu suchen hatte und wie er dort hinkam, weiß bis heute keiner genau. Fest steht nur, dass er ziemlich besoffen war, als ihn ein Lastwagen auf der rechten Spur erwischte.
In diesem Sommer wäre der Grenzgänger zwischen Journalismus und Literatur 65 Jahre alt geworden. Und so viel Fauser wie jetzt war im deutschen Buchhandel noch nie: Im Diogenes-Verlag ist soeben mit mehr als 3200 Seiten eine neunbändige Taschenbuch-Werkausgabe erschienen. Dazu brachte der Alexander Verlag als letzten Teil seiner großen Fauser-Edition mit 1600 Seiten die komplette Sammlung der journalistischen Arbeiten heraus – vom Bericht über eine Klassenfahrt, den Fauser als 15-jähriger Schüler für die «Frankfurter Neue Presse» verfasste, bis zu den späteren Edelfeder-Stücken.
Zu Lebzeiten war ihm solche Anerkennung versagt. Damals wurde im Feuilleton noch streng zwischen ernsthafter und unterhaltender Literatur getrennt. Auch Marcel Reich-Ranicki kanzelte Fausers Geschichten ab («geschrieben ohne literarischen Ehrgeiz»). Der Drogenroman «Der Schneemann» wurde ignoriert, bis die Verfilmung mit Marius Müller-Westernhagen im Kino erfolgreich war. Und Ausflüge in die ZDF-«Hitparade» (weil Fauser für den Deutsch-Hit «Der Spieler» den Text geschrieben hatte) gestattete man damals schon gar nicht.
Allerdings gefiel sich der Künstlersohn auch in der Rolle des Außenseiters. Bevor er Schriftsteller wurde, war Fauser schon Studienabbrecher, Hausbesetzer, Nachtwächter, Junkie und Alkoholiker. Den ersten literarischen Erfolg hatte er Ende der 70er Jahre mit einer Marlon-Brando-Biografie («Der versilberte Rebell»). In Berlin wurde er dann mit Kolumnen für das Stadtmagazin «Tip» zum Szenestar. Trotzdem war Fauser gern mit Anzug, Krawatte und hellem Trenchcoat unterwegs. Als Kult-Autor kam er ziemlich bieder daher.
Fauser schrieb über alles – über Pferdewetten, über Frauen mit Doppelnamen und auch über spätere Bundeskanzler wie Gerhard Schröder, den er damals schon den «Kennedy aus Lippe» nannte. Und er schrieb auch für alle und jeden, für Untergrund-Heftchen ebenso wie für den «Playboy» oder den «Spiegel». «Ich bin ein Geschäftsmann», sagte er in einer Talkshow dazu. «Ich vertreibe Produkte, die ich herstelle. Writing is my business.»
Im Westberlin der 80er Jahre entstanden damals aber auch die Romane «Das Schlangenmaul» und vor allem «Rohstoff», kaum beachtet und schlecht verkauft, den die «Frankfurter Allgemeine» inzwischen aber zu den 25 «neuen Klassikern» der deutschen Literatur zählt. Für die heutige Generation der Pop-Literaten ist Fauser großes Vorbild. Benjamin von Stuckrad-Barre behauptet, «Rohstoff» ein gutes Dutzend Mal gelesen zu haben. «Und es zieht mich jedes Mal wieder hinein.»
1985 verabschiedete sich Fauser aus Berlin, heiratete und zog nach München. In einer «Selbstauskunft», ein halbes Jahr vor seinem Tod, fasste er sein Leben so zusammen: «Keine Stipendien, keine Preise, keine Gelder der öffentlichen Hand, keine Jurys, keine Gremien, kein Mitglied eines Berufsverbands, keine Akademie, keine Clique; verheiratet, aber sonst unabhängig.» Zuletzt schrieb er an einem Roman mit dem Titel «Die Tournee». Um die 500 Seiten sollten es werden, ein Sittengemälde der Bundesrepublik in den 80er Jahren. Bei 169 Seiten, nachzulesen in der Werkausgabe, ist es geblieben.