Süsser Lockstoff mit bitterer Note

Books | Posted 25/08/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »

Hamburg (dpa) – Wer über 40 kennt das nicht? Die riesigen Erwartungen der Jugendzeit, den Schwung und Zauber des Anfangs und all die kleinen und großen Enttäuschungen, die Kompromisse der folgenden Jahre, bis man sich – mit leichten Blessuren – eingerichtet hat im Leben. 

Der Mensch, der man vor vielen Jahren war, erscheint einem fremd – und trotz allem ist man noch immer dieselbe Person. Der britische Autor David Nicholls (43) hat aus dieser Grundsituation mit einem stilistischen Kniff einen zugleich witzig-unterhaltsamen sowie melancholischen Roman gemacht. «Zwei an einem Tag» ist weitaus mehr als eine amüsante Liebeskomödie über ein ungleiches Paar. Es ist ein bitter-süßes Buch über das Leben als Reihe verpasster Chancen und fast wie ein überraschend guter Rotwein: leicht und unkompliziert am Anfang, reif und gehaltvoll zum Ende.

Am 15. Juli 1988 sind Dexter und Emma noch zwanzig, haben nach der Examensfeier in Edinburgh die Nacht zusammen verbracht und gehen schon am Tag darauf ihre eigenen Wege. Wo werden sie genau an diesem Tag ein Jahr und viele Jahre später stehen? Nicholls, der Schauspieler war, bevor er als TV-Drehbuchschreiber Erfolg hatte, lässt seine Leser rund 20 Jahre teilhaben am Leben der beiden, die eigentlich zusammengehören, das auch spüren, aber erst viel zu spät realisieren. Bis Em und Dex endlich die Kurve kriegen, gibt es zahllose ungenutzt verstrichene Möglichkeiten, Momente voller Feigheit und Trägheit und vertane Chancen, die unwiederbringlich dahin sind. Auch wenn aus den beiden nach fast 500 Seiten ein Paar wird – ein Happy End gibt es nicht. Denn so ist das Leben nun mal nicht – und Nicholls Roman zum Glück auch nicht.

Klug, einfühlsam und mit sicher gesetzten Pointen zum Kichern komisch schildert der Autor dabei den Beginn der Privatsender, das Aufkommen der Comedians, den Irrsinn verzweifelter Casanovas, gnadenlos hohle Karrierefrauen und das Politgebaren linker Jungaktivisten. Dexter ist ein hinreißend gut aussehender Junge aus wohlhabendem Hause, mittelmäßig intelligent, interessiert an Frauen, Sex und Drogen und erfolgreich als Moderator einer hirnlosen TV- Jugendsendung. Emma hat ein glänzendes Examen hingelegt, stammt aus kleinen Verhältnissen, ist Friedensaktivistin und schlägt sich mit einem Kellnerjob durch, bevor sie als Autorin Erfolg hat.

Über 20 Jahre sind sie scheinbar nichts weiter als gute Freunde auf Distanz – lassen sich aber nie aus den Augen. Nicholls gibt jeweils am 15. Juli jeden Jahres Ausschnitte aus ihrem Leben preis, was neugierig macht und Spannung aufbaut: Wen lieben sie, wohin reisen sie, welche Träume scheitern oder erfüllen sich für sie. Bis Em und Dex, mit fast 40 Jahren und um viele, teils sehr traurige Erfahrungen reicher, eine neue Chance bekommen – wenn auch nur für kurze Zeit.

Ein bewegendes Buch ist David Nicholls da gelungen, das unter all der unterhaltsamen Komik viel Tiefgang hat. Genau das Richtige für Herbstabende – und am besten Zartbitterschokolade und einen guten Rotwein dazu.

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