Ulrich Peltzer und die Sucht nach Städten
Petra Bohm | Posted 31/08/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
Tote Trabantenstädte und verlassene Dörfer sind für ihn der blanke Horror. Der Schriftsteller Ulrich Peltzer braucht Leben um sich herum…
Daraus extrahiert er die Ideen für seine Romane wie «Stefan Martinez» und «Alle oder keiner». Für seine brillanten Großstadt- und Gesellschaftspanoramen hat der 52 Jahre alte Autor am Freitag in Frankfurt den ältesten deutschen Stadtschreiberpreis erhalten. Als 36. «Stadtschreiber von Bergen» löst er Friedrich Christian Delius ab.
Es mag wie Ironie des Schicksals klingen, dass gerade Peltzer, der den Trubel der Großstadt braucht, ein Jahr lang im Stadtschreiberhaus wohnen und arbeiten darf. Denn der erst 1977 eingemeindete Stadtteil im Osten Frankfurts zählt zwar zu den idyllischen, aber auch den dörflichsten Teilen der Großstadt. Fachwerkhäuser und Dorfgastschänken prägen das Bild von Bergen-Enkheim. Die beiden U- Bahnen, die den Stadtteil mit der City verbinden, haben hier Endstation. Und der mit 20 000 Euro dotierte Preis wird alljährlich in einem Festzelt auf dem Marktplatz verliehen – wo Bierzeltatmosphäre und literarische Hochkultur eine eigenartige Verbindung eingehen.
Das weiß auch Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth(CDU) und spricht in seiner Festrede vom «Charme eines gallischen Dorfes» – und der Preisträger sei freilich entbunden von jeder Präsenzpflicht im Berger Stadtschreiberhaus. Denn das quirlige Leben der Metropole findet in anderen Stadtteilen statt.
Und gerade das braucht der studierte Psychologe und Philosoph Ulrich Peltzer, für den Frankfurt gerade wegen seiner Vielfalt nach Berlin und Hamburg die interessanteste Stadt in Deutschland ist. «Es ist im positiven Sinne erstaunlich, dass es dieses Nebeneinander in Frankfurt gibt und ausgehalten wird», sagt er. «Diese Form der Heterogenität ist einzigartig.» Daher will der in Krefeld geborene Autor, der seit Jahren in Berlin-Neukölln wohnt, von seinem Wohnrecht im Stadtschreiberhaus zumindest «immer mal wieder» Gebrauch machen.
Diese Bilder der Gesellschaften verarbeitet er in seinen Werken, die für die Jury des Stadtschreiberpreises die Fortschreibung des politischen Romans schlechthin sind. Seine Darstellungen der Stadt seien «epische Berichte zur Bewusstseinslage seiner Generation in den letzten Jahrzehnten», heißt es in der Würdigung der Kulturgesellschaft, die den Stadtschreiberpreis seit 1974 vergibt.
Gerade Peltzers Berlin-Romane wie etwa «Die Sünden der Faulheit» (1987) oder «Teil der Lösung» (2007) machten die «Undurchsichtigkeit unserer Welt transparent». – Ulrich Peltzer ist eben auch ein Stadtschreiber, weil die Stadt sein großes Thema ist.
Frankfurt kennt der Preisträger von gerade erst abgeschlossenen Dreharbeiten für einen Film mit dem Titel «Unter geht die Stadt», für den er gemeinsam mit dem Autor und Regisseur Christoph Hochhäusler das Buch geschrieben hat. Darin geht es um ein Liebesverhältnis zwischen einem Bankvorstand und der Frau eines Bankangestellten. Derzeit schreibt Peltzer an einem Roman über das Glück. Im Mittelpunkt steht ein Sales-Manager, Mitte 50, und die Frage, wie viel Geld man zum Glücklichsein braucht.
© Christian Rupp/dpa