In Wahrheit wird viel mehr gelogen
Petra Bohm | Posted 26/09/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »
Die Erbmasse verringert sich mit der Masse der Erben …
Heldinnen von Frauenromanen sind häufig so angelegt, dass sich möglichst viele Frauen mit ihnen identifizieren können. So tummeln sich zwischen bunten Buchdeckeln unzählige mittelmäßig begabte, latent frustrierte, leicht übergewichtige Singlefrauen. Das Happy End dann bitte schön mit fester Beziehung, Heirat inklusive, und mindestens der Aussicht auf Nachwuchs.
In ihrem neuesten Roman trennt sich Kerstin Gier von diesem bewährten Erfolgsrezept. Ihre Heldin, die Endzwanzigerin Carolin steht nicht am Anfang, sondern am Ende einer Beziehung: sie ist gerade erst Witwe geworden und war mit einem Mann verheiratet, der ihr Vater hätte sein können. Carolin, die mit überdurchschnittlicher Intelligenz sozusagen gestraft ist, hat bereits mit 16 ihr Abitur gemacht, mehrere Studienabschlüsse, spricht sieben Sprachen fließend, und spielt dazu noch virtuos Klavier und Mandoline. Da sie gelernt hat, dass besonders Männer auf derartige Qualitäten nicht unbedingt positiv reagieren, versucht sie all das zu verstecken. Nebenrollen spielen übrigens einige lieb gewordene Bekannte aus der Mütter-Mafia-Trilogie und so fühlt man sich in dem Roman gleich “zuhause”. Natürlich gibt es wie gewohnt auch jede Menge zum Lachen – aber auch tiefe Trauer: dass der Lesespass nach 269 flott geschriebenen Seiten schon vorbei ist…
Der Roman beginnt mitten auf dem Bürgersteig und mit einer sturzbetrunkenen Carolin, die abtransportiert werden muss. Sie wird daraufhin von ihrer Schwester Mimi gezwungen, eine Therapeutin aufzusuchen und dort erfährt der Leser nun in Rückblenden nach und nach von ihrer Beziehung zu dem etwas spießigen Ex Leo und ihrem ersten Treffen mit dessen Vater Karl. Es war tatsächlich Liebe, doch viel zu früh stirbt Karl und hinterlässt seiner jungen Frau ein überraschend großes Vermögen. Karls Kinder und seine Exfrau erheben allerdings ebenfalls Anspruch auf das Erbe und sind bereit, mit allen Tricks und Kniffen darum zu kämpfen. Exfreund Leo, inzwischen Anwalt und verlobt mit der hübschen Tochter seines Chefs, nimmt Carolin offenbar immer noch sehr übel, dass sie ihn vor fünf Jahren wegen seines Vaters verlassen hat. Um Carolin das Erbe streitig zu machen, fährt er schwere Geschütze auf. Aber Carolin weiß sich durchaus zu wehren …
Kerstin Gier hat 1995 mit dem Schreiben von Frauenromanen begonnen. Bereits mit ihrem Debüt “Männer und andere Katastrophen” landete sie einen großen Erfolg – der Roman wurde mit Heike Makatsch in der Hauptrolle verfilmt. Und auch die nachfolgenden Romane erfreuen sich großer Beliebtheit. “Das unmoralische Sonderangebot” wurde mit der “DeLiA” für den besten deutschsprachigen Liebesroman 2005 ausgezeichnet und “Für jede Lösung ein Problem” wurde ein Bestseller. Heute lebt Kerstin Gier, Jahrgang 1966, als freie Autorin mit Mann, Sohn, zwei Katzen und drei Hühnern in einem Dorf in der Nähe von Bergisch Gladbach.