«Das größere Glück» – Richard Powers auf Genjagd
Petra Bohm | Posted 23/10/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
Der US-Autor Richard Powers ist wie kein anderer prädestiniert, einen Roman um die Verheißung und die Gefahren der Genforschung zu spinnen…
Powers hatte sein eigenes Erbgut vor einem Jahr aufschlüsseln lassen. Er war damals einer von nur neun Menschen weltweit, deren genetische Blaupause bis zum letzten DNA-Baustein sequenziert war. Seitdem weiß der 52-jährige Literaturprofessor, dass ihm seine Abenteuerlust in die Wiege gelegt wurde, und dass ihm Herzprobleme und die Alzheimer-Krankheit drohen. In seinem zehnten Roman «Das größere Glück» (Originaltitel: «Generosity – An Enhancement») lässt Powers den Genomforscher Thomas Kurton auf die Jagd nach einer Erbanlage für Glück und innere Zufriedenheit gehen.
Das Buch beschäftigt sich mit der philosophischen Frage, was geschehen würde, wenn es tatsächlich ein Glücks-Gen gäbe. Es ist packend wie ein Thriller, leicht geschrieben wie eine (menschliche) Komödie und fasziniert mit seiner scharf gestochenen Sprache.
Im Mittelpunkt steht eine junge Berberin aus Algerien, Thassadit Amzwar. Sie hat durch den Bürgerkrieg in ihrer Heimat den Vater und weitere Angehörige verloren, flieht mit der Mutter nach Frankreich, wo jene bald darauf an Krebs stirbt. Trotz aller Tragik in ihrem Leben ist Thassadit ein Ausbund von Fröhlichkeit. Als Studentin am Mesquakie College in Chicago fällt sie einem Dozenten auf, der kreatives Schreiben lehrt. Russell Stone ist tief beeindruckt von Thassadits bildhaften Schilderungen und ihrer Persönlichkeit.
Er beginnt, im Internet nach einer genetischen Begründung für den ansteckenden Frohsinn der jungen Studentin zu suchen und zieht die am gleichen College beschäftigte Psychologin Candace Weld zu Rate. Aus dem Kontakt entwickelt sich eine Affäre zwischen den beiden Kollegen und ein fast elterliches Verhältnis zu Thassadit. Als ein Mitstudent ihre Offenheit fehlinterpretiert und sie zu vergewaltigen versucht, dringt das Wort von Thassadits angeborenem Stimmungshoch an die Öffentlichkeit. Die Medien laufen ihr die Tür ein. Unglückliche Mitbürger wollen sie als persönliche Trainerin anheuern. Dr. Kurton bittet sie zur Erforschung ihres Gen-Pools in sein Labor. Für die Eizellen der «Glücksträgerin» werden Tausende von Dollars geboten.
{cms:image:2}Meisterhaft treibt Powers die Spannung auf die Spitze. Wie in fast allen seiner Romane jongliert er auch hier drei Erzählstränge nebeneinander, verbindet sie und lässt sie wieder auf Abstand gehen. «Das größere Glück» stimmt heiterer als sein Vorgänger, der Roman «Das Echo der Erinnerung» («Echo Maker»). In ihm hatte sich Powers einem jungen Mann mit dem Capgras-Syndrom gewidmet, einem schweren Hirnleiden, das Patienten glauben macht, von Feinden in Gestalt ihrer Angehörigen und Freunde umgeben zu sein. Das Buch hatte ihm 2006 den National Book Award eingebracht, einen der höchsten Literaturpreise der USA.
Powers gilt als eine der wichtigsten Stimmen der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Er folgte kürzlich einem Ruf als Gastprofessor an die Freie Universität Berlin. 1957 in Illinois geboren, verbrachte er seine Jugendjahre in Bangkok und arbeitete nach dem Literaturstudium zunächst als Programmierer. Ein Foto von August Sander, das drei Bauern aus dem Westerwald auf dem Weg zu einem Fest zeigt, inspirierte Powers zu seinem ersten Roman, «Three Farmers on Their Way to a Dance» (1985). Schon acht Jahre später kam er mit «Operation Wandering Soul» in die Endrunde für den National Book Award. Mit «The Echo Maker» verdiente er sich außer dieser Ehre auch die erste Nominierung für den «Pulitzer-Preis».
©Gisela Ostwald/dpa