«Lippels Traum» nach Paul Maar

Petra Bohm | Posted 02/10/2009 | Preise und Events | Keine Kommentare »

Kinostart am 8. Oktober: eine gelungene Kinderbuchverfilmung

Paul Maars Bücher gehören zu den Klassikern der Kinderbuch-Literatur. Mit lustigen, oft tiefgründigen Geschichten und Wortwitz hat der Schriftsteller die Herzen vieler Kinder und Erwachsener erobert. Einige seiner Werke wurden auch verfilmt. Nach «Das Sams», «Sams in Gefahr» und «Herr Bello» kommt am 8. Oktober mit «Lippels Traum» wieder eines seiner Bücher ins Kino. Darin träumt sich der elfjährige Lippel nachts in eine fantastische Märchenwelt im Morgenland, in der er aufregende Abenteuer erlebt. Er sei selbst als Kind so ein «Lippel» gewesen, sagte Maar im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Ich war auch so ein Träumer, und ich habe als Zehnjähriger ein Kinderbuch mit Geschichten aus 1001 Nacht gekriegt.»

Den Sorgen des Alltags entflieht der elfjährige Lippel in seinen Träumen. Kaum ist er eingeschlafen, schon meistert er Abenteuer im fernen Orient. Im wirklichen Leben muss sich Lippel (Karl Alexander Seidel, «Hände weg von Mississippi») mit einer garstigen Haushälterin herumschlagen, während sein alleinerziehender Vater auf Dienstreise ist. In «Lippels Traum», der Verfilmung des gleichnamigen Kinderbuchs von «Sams»-Erfinder Paul Maar, spielen Moritz Bleibtreu und Anke Engelke Erwachsenen-Rollen. Regisseur Lars Büchel («Erbsen auf halb sechs») gelingt eine solides Werk, das an die fantasievolle Buchvorlage allerdings nicht heranreicht.

Bereits 1990 wurde die Geschichte erstmals verfilmt. Maar zeigte sich mit der damaligen Filmversion wenig zufrieden. Die Figuren seien nicht ernst genommen und bisweilen unangemessen lächerlich gemacht worden, sagte Maar bei der Filmpremiere von «Lippels Traum» bei der diesjährigen Berlinale. Mit dem neuen Werk war er zufrieden.

Tatsächlich eignete sich in der ersten Version kein Erwachsener als uneingeschränkter Sympathieträger. Das ist in der neuen Fassung, bei der Maar am Drehbuch mitschrieb, anders: Bleibtreu gibt den verständnisvollen Kumpel-Vater, während seine Arbeitskollegin Serafina (Christiane Paul) als warmherzige Ersatz-Mutter bereitsteht. Die übrigen Erwachsenen-Rollen sind als Karikaturen zugespitzt. Uwe Ochsenknecht gibt den pingeligen Schulleiter, Anke Engelke als Haushälterin Frau Jakob den gefühlskalten Kinderschreck. Die hat nur eins im Sinn: Sie will sich Lippels Vater «angeln» und Lippel ins Internat verfrachten.

Anfangs steht der schüchterne Junge den Anfeindungen der Haushälterin ohnmächtig gegenüber. Als ihm Frau Jakob eines Abends das Buch «1001 Nacht» wegnimmt, träumt Lippel die angefangene Geschichte einfach zu Ende – und zwar mit sich selbst als Hauptakteur.

Auf der Märchen-Ebene treten alle Schauspieler in charakterlich ähnlichen Rollen erneut auf: Engelke mimt die intrigante Schwägerin eines warmherzigen Königs (Bleibtreu), Ochsenknecht einen unfreundlichen Wirt. Die Handlungen beider Ebenen beeinflussen sich. Mit jedem bestandenen Märchen-Abenteuer wächst in Lippel der Mut, auch in der Wirklichkeit Probleme anzugehen und zu bewältigen.

Bis in kleine Nebenrollen ist die Produktion hochkarätig besetzt, auch Edgar Selge und Eva Mattes spielen mit. Letztlich macht Regisseur Büchel nichts falsch: Handwerklich ist «Lippels Traum» gut gemacht, die Schauspieler sind mit Begeisterung bei der Sache und die Kulissen mit Drehorten in Marokko und in Deutschland farbenfroh.

Der Zauber der Maarschen Kinderbücher ist auf der Leinwand dennoch kaum zu spüren. Die Fantasiewelt der kindlichen Hauptfigur ist so gestaltet, wie sich erwachsene Zuschauer das vorstellen, und die Erzählkapitel greifen mechanisch und arg vorhersehbar ineinander. Ausgefallene Regie-Einfälle sucht man vergebens. Eine spielerisch- verträumte Inszenierung in schier grenzenloser Fantasie ist der Film jedenfalls nicht, dafür ist das Konventionskorsett einer größeren deutschen Kinoproduktion zu starr.
© Wolf von Dewitz/dpa

Internet: www.lippels-traum.de

Kinderbuch-Autor Paul Maar war als Kind ein Träumer – Interview mit dem Autor

Wie kamen Sie auf die Idee, für Lippel die Realität und die Geschichten aus 1001 Nacht zu verweben?

Maar: «Ich hatte immer eine Vorliebe für morgenländische Geschichten: Sindbad der Seefahrer oder Ali Baba und die 40 Räuber. Als ich später den Lippel schrieb, hatte ich mir gerade eine Gesamtausgabe von 1001 Nacht angeschafft. Ich habe für Lippel den Originalbeginn einer Geschichte daraus genommen. Das ist die Stelle, die Lippel in seinem Buch liest. Doch dann wird ihm das Buch weggenommen, und er muss seine Geschichte weiterträumen.»

Im Buch «Lippels Traum» wohnt Lippel mit beiden Eltern zusammen. Als sie verreisen, passt die fiese, strenge Frau Jakob auf ihn auf. Im Film dagegen ist sein Vater alleinerziehend und Frau Jakob will ihn deshalb heiraten. Warum haben sie das für den Film so geschrieben?

Maar: «Das war die Idee von Ulrich Limmer, mit dem zusammen ich ja das Drehbuch geschrieben habe. Er sagte, wenn die Eltern für eine Woche verreisen, dann weiß jeder Zuschauer, er kann sich wohlig zurücklehnen. Selbst wenn es dem Lippel mal nicht gut geht, weiß man, in einer Woche ist es ausgestanden. Spätestens in der 85. Filmminute kommen seine Eltern zurück, schließen ihn in die Arme, und alles ist gut. Viel tiefer ist es doch, wenn der Zuschauer und der Lippel nicht wissen, wie die Geschichte ausgeht. Da kommt diese attraktive Haushälterin ins Haus, sie flirtet gleich ein bisschen mit dem Vater, und Lippel hört auch noch das Telefongespräch mit, in dem sie ihrer Mutter sagt, ach, der hat ein Auge auf mich geworfen, und wenn der Junge nicht spurt, dann stecken wir den ins Internat. Das ist ein elementarer Konflikt für Lippel, den er lösen muss, und auch der Zuschauer weiß nicht, geht der Film gut aus oder böse. Das erzeugt eine viel größere Spannung.»

Wie schreiben Sie ihre Geschichten? Haben Sie schon vorher alles im Kopf?

Maar: «Ich habe sie nicht ganz im Kopf, ich habe eine ungefähre Idee. Ich setze mich an den Schreibtisch und fange an zu schreiben – und zwar mit Hand, mit einem möglichst spitzen Füller und einem weißen Blatt Papier. Dann schreibe ich die ersten acht oder zehn Seiten, streiche oft durch, werfe Seiten wieder weg. Wenn ich den idealen Anfang habe und denke, dass ich in der Geschichte drin bin, dann tippe ich alles am Computer ab und schreibe dann dort weiter. Aber um den Einstieg in die Geschichte zu finden, brauche ich den Widerstand des weißen Blattes, da muss ich mit Hand schreiben. Das muss schnell gehen. Ich tippe auch nach 40 Jahren immer noch mit zwei Fingern. Ich kann das zwar fast so schnell wie meine Frau, die mit zehn Fingern schreibt. Aber ich habe das Gefühl, mit dem Füller bin ich schneller. Manchmal eilen mir meine Gedanken so voraus, dass ich nicht nachkomme und alles ganz schnell notieren muss.»

War das bei ihrem neuen Sams-Buch auch so?

Maar: «Bei Onkel Alwin und das Sams hatte ich das Ende schon im Kopf. Aber kleine Zwischenstationen, Umwege, Labyrinthe, die ergeben sich aus der Geschichte oder den Figuren. Ein banales Beispiel: Bei den ersten Sams-Büchern habe ich mir vorgestellt, vielleicht geht der Taschenbier mal mit dem Sams zum Fußballspiel, und das Sams frisst den Ball auf. Dann dachte ich, jetzt kenne ich meinen Herrn Taschenbier. Der würde doch nie auf den Fußballplatz gehen. Ich muss mir was anderes ausdenken. Man lässt sich von der Figur führen, ist im Kopf von Herrn Taschenbier und überlegt sich, gehe ich jetzt da rein? Nein, Fußball mag ich nicht. Und von daher kommt man ganz intuitiv auf die Geschichte.»
Interview: Cordula Dieckmann, dpa

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