Franziska Troegner: «Für’s Schubfach zu dick»
Petra Bohm | Posted 13/10/2009 | Biografien | Keine Kommentare »
so heisst der Titel ihrer erheiternd-nachdenklichen Erinnerungen…
Sie ist keine zweite Helga Hahnemann, wie es die Talentförderer zu DDR-Zeiten planten. Und wer sie heutzutage etwa die «Marianne Sägebrecht des Ostens» nennt, sollte auf energischen Widerspruch gefasst sein. Zugegeben, bei der Figur sind Ähnlichkeiten nicht zu übersehen. Aber mehr lässt die Berliner Schauspielerin Franziska Troegner (55) nicht zu. Ihr Credo: «Jederzeit ein Unikat». Troegner erzählt nicht einfach eine Biografie voller Höhen und mancher Tiefen, sondern unterfüttert sie mit Alltagsgeschichten und den Erfahrungen einer gebürtigen Ost- Berlinerin vor und nach dem Mauerfall.
Die Eltern – die Mutter ist Opernsängerin, der Vater Kabarettist und Regisseur – sind keinesfalls begeistert, dass die Tochter nur einen Wunsch kennt: auf die Bühne. Ihnen zuliebe bewirbt sie sich nach dem Abitur zum Studium der Theaterwissenschaft, obwohl sie sich inzwischen schon erfolgversprechend als Laien-Kabarettistin bei den «Reizzwecken» ausprobiert. Nach drei Ablehnungen habe sie die «Nase voll» gehabt, gesteht Troegner. Sie bewirbt sich um einen der begehrten Ausbildungsplätze an der weltberühmten Brecht-Bühne, dem Berliner Ensemble, und es klappt.
«Sechs Sätze sprechen, einen Witz erzählen, mit dem Allerwertesten wackeln und laut loslachen.» Mehr musste sie bei ihrem ersten Bühnenauftritt nicht zeigen, schreibt sie. Der große, alte Mime Curt Bois, der sie bei der Premiere erlebt, sieht für die gerade mal er 19-Jährige eine große Zukunft voraus: «Die macht mal Karriere.»
Regelrecht ins Schwärmen gerät die Schauspielerin, wenn es um die Arbeit am Berliner Ensemble (BE) geht. 15 prägende Jahre als Ensemblemitglied – das war wie auf einer «Insel der Seligen» – erinnert sie sich. Auf den großen Brecht-Tourneen lernt sie die Welt kennen. Ihre erste Gastspielreise mit 500 am Körper versteckten Westmark führt sie nach Venedig. Als die stumme Kattrin in «Mutter Courage und ihre Kinder» oder der Grusche in «Der kaukasische Kreidekreis» spielte sie an der Seite von Gisela May, Ekkehard Schall oder Peter Bause. Für ihre Traumrolle, die Polly in der «Dreigroschenoper», musste sie laut «Leitungsbeschluss» zehn Kilo abnehmen.
Als die Brecht-Bühne nach der Wende einen Neuanfang versucht, ist Troegner nicht länger gefragt. Auch wenn sie ihre Kündigung als «totale Entwurzelung» empfindet, die Arbeit muss weitergehen. Als Freiberuflerin nimmt sie sich vor, nicht ständig in «panische Existenzangst zu verfallen». Ihr Trumpf ist ihre Vielseitigkeit. Als Sketchpartnerin von Diether Krebs und Dieter Hallervorden mobilisiert sie ihr kabarettistisches Talent. Die Komödiantin gefällt Regisseur Jerome Savery, der sie für eine en-suite-Aufführung des Theaters am Kurfürstendamm von Carlo Coldonis’ «Herr im Haus bin ich» verpflichtet. 120 Aufführungen folgen allein in der Hauptstadt.
Millionen Fernsehzuschauer kennen Troegner heute aus Serien wie «Der Landarzt» (ZDF) oder «Mama ist unmöglich» (MDR). Selbst Hollywood entdeckt sie: 2004 steht sie neben Frauenschwarm Johnny Depp vor der Kamera. Regisseur Tim Burton hatte sie für seinen knallbunten in London gedrehten Fantasiefilm «Charly und die Schokoladenfabrik» geholt. In Deutschland habe sich seitdem ihr «Ruhm nicht merklich vergrößert», meint sie. Bei rund 100 Rollen in Film und Fernsehen vielleicht doch zu bescheiden.
© Irma Weinreich/dpa