Limit
Petra Bohm | Posted 02/10/2009 | Belletristik | Keine Kommentare »
Frank Schätzing beendet das Warten seiner Fans: am 5. Oktober erscheint sein neuer Thriller Limit. Die dpa durfte vorab lesen und hat den Autor interviewt…
Frank Schätzing mag keine halben Sachen. Seine Bücher sind dick und aufwendig recherchiert und seine Plots ausufernd. Das gilt erst recht für seinen neuen Roman «Limit». Er ist ein mehr als 1300 Seiten starkes Beispiel für die Schätzingsche Meisterschaft, bei Dutzenden von Figuren und einer Handlung, die an etlichen verschiedenen Orten auf fast allen Kontinenten und im Weltraum spielt, den Überblick zu behalten. «Limit» ist eine unorthodoxe Mischung aus Science Fiction, Spionageroman und Actionthriller. Der Plot ist mindestens so an den Haaren herbeigezogen wie in Schätzings Bestseller «Der Schwarm». Aber seine Geschichte erzählt der 52-jährige Autor auch diesmal so spannend, dass man das Buch am liebsten nicht aus der Hand legen würde.
Und noch mehr als das: Je weiter man liest, umso mehr taucht man ein in Schätzings Welt. Nach einiger Zeit erscheint es einem nicht mehr abwegig, dass im Jahr 2025 ein stinkreicher, supererfolgreicher Unternehmer namens Julian Orley ein paar mindestens genauso stinkreiche, supererfolgreiche Freunde und Bekannte zu einer Reise auf den Mond einlädt. Hoch auf den Erdtrabanten geht es mit einer Art High-Tech-Fahrstuhl, oben wartet ein Schicki-Micki-Hotel namens «Gaia» auf die Gäste.
Je nach Temperament vergnügt sich die illustre Schar mit gutem Essen, schlechten Scherzen, Sex in der Schwerelosigkeit oder Weltraumausflügen. Die Stimmung wäre sicher schlechter, wenn sie wüssten, was Schritt für Schritt enthüllt wird: Das Projekt steht unter keinem guten Stern. Carl Hanna, einer der Mitreisenden, entpuppt sich als Fiesling mit erheblicher krimineller Energie und der Lizenz zum Töten. Und gleichzeitig verdichten sich die Hinweise darauf, dass ein Anschlag geplant ist, bei dem mindestens das «Gaia» mit einer Atombombe zerstört werden soll.
Klingt irre? Stimmt, aber Frank Schätzing verdankt seinen enormen Erfolg gerade der Fähigkeit, die unglaublichsten Geschichten so detailgetreu zu erzählen, dass seine Romane etwas Fotorealistisches bekommen. Das Unwahrscheinliche seiner Plots wiegt er durch diese Exaktheit im Erzählen auf. Bei «Der Schwarm» hat diese Methode so gut funktioniert, dass Schätzing inzwischen zu den erfolgreichsten deutschen Autoren überhaupt gehört: 3,8 Millionen Mal wurde der Roman über bedrohliche intelligente Lebensformen aus der Tiefsee verkauft, weltweit in 27 Sprachen übersetzt. «Limit» hat das Potenzial, das noch zu toppen.
Das liegt auch daran, dass Schätzing den Ehrgeiz hat, nicht nur eine Science-Fiction-Geschichte zu erzählen, die auf dem Mond spielt und manchmal wirkt, als sei der Drehbuchschreiber von Raumschiff Enterprise für eine Folge lang auf Speed gewesen. Schätzings Stärke als Autor besteht gerade darin, parallel einen weiteren Handlungsstrang zu entwickeln, der noch spannender ist und noch mehr Tempo entwickelt. Er spielt mal in Shanghai, mal in Berlin, Schwarzafrika, Dallas oder London.
Eben noch ist Cyber-Detective Owen Jericho auf der Jagd nach pädophilen Kinderschändern, gleich danach stolpert er schon in ein Massaker, das chinesische Auftragskiller auf Airbikes genannten fliegenden Motorrädern unter einer Gruppe von Dissidenten anrichten. Deren Anführerin Yoyo überlebt und jagt mit Owen fortan die Mörder ihrer Freunde. Tote gibt es dabei am Fließband. Schätzing legt auch in dieser Hinsicht Wert auf Detailtreue – egal, ob den Opfern das Genick gebrochen wird oder sie das Zeitliche segnen, weil ihnen jemand einen Bleistift ins Auge rammt.
Schon das wären zwei mindestens spannend zu nennende Geschichten, die der Autor außerdem kunstvoll verknüpft. Aber das Buch wäre trotz allem nur halb so gut, wenn Schätzing nicht ähnlich wie beim «Schwarm» eine Matrix hätte, in die all das eingepasst wird. Beim «Schwarm» ist es die Verschmutzung der Meere und der skrupellose Umgang des Menschen mit anderen Lebewesen. Bei «Limit» ist es die Verknappung der natürlichen Ressourcen, die Jagd um die Vorherrschaft auf dem Mond und die Entdeckung neuer Energieträger wie Helium-3, das dort oben abgebaut wird. Die Bereitschaft zum Morden hängt mit all dem zusammen. «Limit» ist deshalb mehr als ein Thriller: ein intelligenter, lesenswerter Roman mit einer filmreifen Story.
© Andreas Heimann/dpa
dpa-Interview – Wortlaut -Frank Schätzing: «Das Buch war Knochenarbeit»
Die Deutsche Presse-Agentur dpa sprach mit Frank Schätzing über Thriller, böse Helden und das Schreiben im Restaurant.
Stimmt es, dass Sie das Buch vor allem in Cafés und Restaurants geschrieben haben?
Schätzing: «Es ist ungefähr zur Hälfte dort entstanden. Ich hab zwar ein Büro, in dem ich schreibe, wenn ich Zugriff auf meine Fachbücher brauche. Aber ich sitze eben gerne unter Leuten, ich kann wunderbar schreiben in öffentlichen Geräuschkulissen. Das Buch war trotzdem Knochenarbeit.»
Woher kam die Idee zu einem Thriller, der auf dem Mond spielt?
Schätzing: «Ich suche nie nach Ideen, ich sperre einfach Augen und Ohren auf, bis mich was Interessantes findet. Der Urknall für Limit liegt schon lange zurück. Mitte der 90er Jahre habe ich eine Randnotiz in einem Wissenschaftsmagazin entdeckt, in der das Element Helium-3 beschrieben wurde, das ausschließlich auf dem Mond vorkommt. “Der Schwarm” war damals weiter gediehen, also hab’ ich erst mal den geschrieben. Chinas Vormarsch in der Weltwirtschaft hat mich danach auf die Idee gebracht, über das Wettrennen Chinas und den USA um die Eroberung des Mondes zu schreiben.»
Ist das Buch eine Mischung aus Science Fiction und Agententhriller?
Schätzing: «Offen gesagt, ich weiß es selber nicht genau. Ich hatte nicht den Plan, dass es ein genreübergreifender Roman werden muss. Das kam aus dem Bauch heraus. Ich schreibe einfach die Bücher, die ich selber gerne lese, und ich mag Crossover jeder Art. Ich schätze, es ist am ehesten ein Globalisierungsthriller.»
Wollten Sie diesmal gerne ein Happy End?
Schätzing: «Ich hatte jedenfalls Lust, ein paar mehr Leute überleben zu lassen. “Der Schwarm” geht viel radikaler mit seinem Personal um. Limit ist nicht so zornig, mit mehr Humor durchsetzt. Ich hatte einfach eine versöhnlichere Haltung beim Schreiben.»
Überleben deshalb auch einige der Bösen?
Schätzing: «Ja, ich finde, man muss nicht alles so einlösen, wie Klein Erna es von dem Plot vielleicht erwartet. Die Bösen sind ja oft die spannenderen Figuren, schillernder. Denken Sie an den Joker, an Darth Vader oder an Hannibal Lecter. Eigentlich will man sie nicht wirklich sterben sehen.»
Wie lange haben Sie an den mehr als 1300 Seiten geschrieben?
Schätzing: «Ungefähr zwei Jahre. Angefangen habe ich im Sommer 2007 mit einem Treatment von 80 Seiten, um die Story in den Griff zu kriegen.»
Hat die Recherche für den Roman auch so lange gedauert?
Schätzing: «Ich habe ein Jahr lang nur recherchiert, das heißt, vor allem Fachliteratur gelesen. Später während des Schreibens habe ich mich dann öfter mit Experten getroffen und beispielsweise das Thema Mondbesiedlung diskutiert oder mein Wissen über Planetenforschung, Satellitentechnik und Weltraummissionen vertieft.»
Warum muss Ihre Geschichte in solchen Details so exakt sein?
Schätzing: «Mein Ziel war, einen Roman zu schreiben, der in einer denkbaren Welt spielt. Also keine pure Fiktion ohne Bezug zur Realität. Die Leser vertrauen darauf, dass ich ihnen kein dummes Zeug erzähle.»
Werden Wissenschaftler nicht misstrauisch, wenn Sie anrufen?
Schätzing: «Im Gegenteil, die sind im Allgemeinen sehr entgegenkommend. Klar ist meine Bekanntheit inzwischen ein Bonus. Das ist sicher anders als beim Schwarm. Aber es herrscht generell ein zunehmendes Interesse von Wissenschaftlern, sich mit Autoren zu treffen. Ich werde mit Wissen über die Welt versorgt und biete meinerseits eine Bühne für Themen, die sonst nicht so stark beachtet werden.»
Haben Sie alles selbst recherchiert?
Schätzing: «Bei “Der Schwarm” ja, diesmal noch zu 90 Prozent. Ich habe aber das erste Mal mit einer Rechercheurin gearbeitet, die zum Beispiel die Randdaten zur Gas- und Ölindustrie für mich besorgt hat.”
Interview: Andreas Heimann, dpa
Über den Autor
Frank Schätzing, geboren 1957 in Köln, studierte Kommunikationswissenschaften, war Creative Director in internationalen Agenturen-Networks und ist Mitbegründer der Kölner Werbeagentur Intevi. Anfang der Neunziger begann er, Novellen und Satiren zu schreiben und veröffentlichte 1995 den historischen Roman Tod und Teufel. Nach zwei weiteren Romanen und einem Band mit Erzählungen erschien 2000 der Bestsellerroman Lautlos, ein politischer Thriller über den Weltwirtschaftsgipfel 1999, den die Presse als »schillernde Momentaufnahme des ausgehenden Jahrtausends« lobte. Im Frühjahr 2004 erschien sein Roman Der Schwarm. Das Buch hat seit Erscheinen über 920.000 Exemplare im Hardcover verkauft und wurde in 17 Sprachen übersetzt. 2004 erhielt Frank Schätzing den Corine-Preis und 2005 den Deutschen Science-Fiction-Preis. 2006 erschien sein zweites Buch über die Meere Nachrichten aus einem unbekannten Universum. Frank Schätzing lebt und arbeitet in Köln.