Mut zum Übermut – Das «Sams» ist wieder da

Petra Bohm | Posted 24/10/2009 | Uncategorized | Keine Kommentare »

Es hat eine rüsselartige Nase, eine orangefarbene Haarmähne, grüne Wunschpunkte im Gesicht und trägt einen Taucheranzug…

Das Sams ist kein Mädchen und kein Junge, es ist einfach das Sams. Vor 36 Jahren an einem Sams-tag schickte der Schriftsteller Paul Maar das neugierige und respektlose Wesen zum ersten Mal zu den Menschen – und die wunderten sich erst, waren zwischenzeitlich entsetzt über die Streiche des Sams und gewannen es am Ende schrecklich lieb. «Schaut mich an, schaut gut hin, weil ich was Besondres bin!», reimt das Sams nicht ohne Stolz über sich selbst.

Jetzt hat Maar den sechsten und möglicherweise letzten Band mit Sams-Abenteuern geschrieben. In «Onkel Alwin und das Sams» freut sich Familie Taschenbier über Familienzuwachs – aber nur kurz. Als eines Tages Onkel Alwin aus Australien samt Känguru vor der Tür steht, wird er von den Taschenbiers freundlich aufgenommen. Doch Alwin entpuppt sich schnell als ziemlich dreister und widerwärtiger Zeitgenosse.

Das Sams soll helfen, den ungebetenen Gast so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Doch die Wunschpunkte des Sams sind noch im Gesicht von Sportlehrer Daume. Und überhaupt hat das Sams eigene Probleme. Denn obwohl es immer noch sams-haft wild drauflos reimt, ungeheuer gefräßig ist und die irrsinnigsten Ideen hat, wird es den Menschen immer ähnlicher. Sogar sein kleiner Rüssel ist schon fast auf Menschen-Maß geschrumpft. Das ruft die Versammlung der Samse auf den Plan: Taschenbiers Sams muss sich vor dem Übersams erklären. Jede Menge Stoff für Maars wunderbare Fabulierkunst.

Wie Pippi Langstrumpf und Harry Potter hat sich das Sams einen festen Platz in den Kinderzimmern erobert – obwohl sich der heute 71-jährige Maar der großen Merchandising-Maschine mit Sams-Puppen, Sams-Bettwäsche oder Sams-Kaffeetassen weitgehend verweigert hat. Vier Millionen Sams-Bücher wurden bislang verkauft. Der gefragteste ist der erste Band «Eine Woche voller Samstage», der erstmals 1973 erschienen ist und inzwischen in der 30. Auflage geliefert wird.

Unter dem Einfluss der 68-er und der antiautoritären Erziehung entstanden, macht das freche, aber kluge Sams auch noch heute Kindern Mut zum Übermut. So wie der schüchterne Herr Taschenbier und später sein Sohn Martin durch das Sams Zeile für Zeile und Stück für Stück an Selbstbewusstsein gewinnen, auch mal gegen Vorgesetzte und Lehrer aufbegehren und sich per Sams-Wunschpunkt die wildesten Träume erfüllen. Allerdings müsse man den meisten Kindern heute gar nicht mehr sagen, «seid ein wenig frecher», sagt der 71-jährige Maar im dpa-Interview. «Denen müsste man eher sagen, benutzt ein bisschen weniger eure Ellenbogen.»

Und wird dies nun tatsächlich das letzte Sams-Abenteuer gewesen sein? «Im Moment habe ich keine Ideen zu einem neuen Sams-Band», sagt Maar. «Aber wenn es noch einmal eine wirklich sehr, sehr gute Idee gibt, dann könnte es noch einen siebten Band geben», verspricht der Autor. Inzwischen hat er zusammen mit seiner Tochter Anne bereits das nächste Buch herausgebracht: den von Verena Ballhaus illustrierten Spiel-, Reim- und Geschichtenband «Mehr Affen als Giraffen», der vor Sprachwitz und Einfallsreichtum nur so strotzt. Das Hörbuch zu «Onkel Alwin und das Sams» spricht Ulrich Noethen, der in den beiden Sams-Kinofilmen sehr kongenial den Herrn Taschenbier gespielt hat.
© Elke Vogel/dpa

In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur dpa auf der Frankfurter Buchmesse erzählte Maar, wie sich die Kindheit heute von der Kindheit in den 70er Jahren unterscheidet und ob es stimmt, dass «Onkel Alwin und das Sams» wirklich der letzte Sams-Band sein soll.

Was können die Kinder vom vorlauten Sams lernen?

Maar: «Wenn ein Autor sein pädagogisches Anliegen allzu unverhüllt zeigt, dann klappen die Kinder das Buch zu. Aber natürlich gibt es einen geheimen Untergrund, der einfach durch die Handlung erzählt wird. Viele Kinder sind ein bisschen schüchtern oder wagen es nicht, ihr Leben in die Hand zu nehmen – wie der Herr Taschenbier. Und Herr Taschenbier wird durch das Sams lebendig. Ich habe das Sams bewusst als exaktes Gegenteil von Herrn Taschenbier konstruiert. Er ist schüchtern, also muss das Sams frech sein. Er ist ängstlich, das Sams ist mutig. Er ist kontaktgestört, also muss das Sams jeden anquatschen. Er ist ein bisschen melancholisch und lacht selten, das Sams lacht am liebsten über seine eigenen Witze. Durch dieses ganz Andere, dem er begegnet, ändert er sich und wird ein ganz neuer Mensch. Vielleicht können die Kinder daraus den Schluss ziehen: ich darf ein bisschen mutiger sein. Obwohl es so ist: Als ich Anfang der 70er Jahre das erste Sams-Buch geschrieben habe, da war ’68 noch nicht so in den Köpfen und die antiautoritäre Erziehung fing gerade erst an. In vielen Familien war es so, dass die Kinder sehr “gedeckelt” und sehr autoritär behandelt wurden. Heutzutage muss man den meisten Kindern gar nicht sagen, seid ein wenig frecher. Denen müsste man eher sagen, benutzt ein bisschen weniger eure Ellenbogen.»

Kinder brauchen Grenzen…

Maar: «Kinder fühlen sich behütet und beschützt, wenn sie eine gewisse Grenze haben. Nur darf die Grenze nicht so rigide und eng sein, wie wir sie damals erlebt haben.»

Dann geht es heute vielleicht mehr darum, die Grenzen der Fantasie zu erweitern.

«Ja, genau. Wenn man Grenzen niederreißt, dann vielleicht die engen Grenzen, die die Kinder auch durch das Fernsehen gesetzt bekommen.»

In wie vielen Ländern wird das Sams gelesen?

Maar: «Es sind etwas mehr als 30. Es gibt das Sams in China, Japan, Korea, Thailand – eigentlich in allen asiatischen Sprachen. Außerdem in der Ukraine, Estland, Lettland, Norwegen, Schweden, den Niederlanden oder in Kolumbien und Mexiko.»

Und heißt das Sams dort auch überall Sams? Sein Name ist ja vom Samstag abgeleitet – dem Tag, an dem es zu Herrn Taschenbier kam.

Maar: «Das wird ableitet vom jeweiligen Wochentag in der Landessprache. In Holland zum Beispiel heißt der Samstag Zaterdag. Da wird das Sams dann Zater gerufen.»

Und wissen Sie, wie das Sams auf Chinesisch heißt?

Maar: «Nein, da müsste ich chinesisch können.»

War das aufmüpfige Sams in China irgendeiner Zensur unterworfen?

Maar: «Nein.»

Wann ist es dort erschienen?

Maar: «Vor etwa zehn Jahren.»

Stimmt es, dass «Onkel Alwin und das Sams» womöglich das letzte Sams-Buch sein wird?

Maar: «Also, nach dem fünften Sams-Band habe ich gesagt, das sei der letzte. Und es hat sich herausgestellt, dass es doch nicht der letzte war. Deshalb will ich nicht so apodiktisch sagen, das ist absolut der letzte Band. Im Moment habe ich keine Ideen zu einem neuen Sams-Band. Aber wenn es noch einmal eine wirklich sehr, sehr gute Idee gibt, dann könnte es noch einen siebten Band geben.»
Interview: Elke Vogel, dpa

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