Arnold Stadler mit Kleist-Preis ausgezeichnet
Petra Bohm | Posted 23/11/2009 | Autoren, Preise und Events | Keine Kommentare »
Autor mit Vorliebe für Skurriles…
Der Schriftsteller Arnold Stadler ist am Sonntag in Berlin mit dem Kleist-Preis 2009 ausgezeichnet worden. Stadler wurde vor allem mit Romanen aus seiner oberschwäbischen Heimat bekannt, die um die «Heideggerstadt» Meßkirch kreisen. Der diesjährige Kleist-Preisträger ist von seinem ungarischen Schriftsteller-Kollegen Péter Esterházy bestimmt worden, den die Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft diesmal als «Vertrauensmann» ausgewählt hatte.
Esterházy hielt bei der Preisverleihung im Berliner Ensemble auch die Laudatio und würdigte Stadlers Mut, sich dazu zu bekennen, «keine andere Chance zu haben, als die Wahrheit zu sagen». Der 55-jährige Stadler sei «der große Dichter dieser einen Radikalität» und fügte hinzu: «Stadler kämpft nicht mit der Verzweiflung, er umarmt sie freudig.»
Der Wahlberliner Stadler selbst nannte sich in seiner Dankesrede einen «Kurzbiografen» und würdigte die Widersprüchlichkeit des Menschen als «Ausdruck seiner Poesie». Dichter seien manchmal auch «Briefträger» mit der Sprache als «wertvollsten Schatz im Gepäck des Heimatlosen», sein Lebensmittel.
Der Dichter und Selbstmörder Kleist sei ein Mensch gewesen, «der den Kampf gegen seine Dämonen verloren» habe, meinte Stadler. «Aber wer sagt denn, dass er und Michael Kohlhaas gescheitert sind?» Sie hätten sich empört und das Wort komme von «sich auflehnen, aufrichten», und dabei seien beide «ein schönes Stück weit gekommen», es sei «ein Ja zum Nein oder umgekehrt» gewesen. «Manch einer verlässt das Theater vor der Zeit und wir Zurückgebliebenen wollen nicht einsehen, dass es freiwillig war.»
Stadler wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis. «Ich beschreibe nicht meine Heimat, sondern meine Welt», sagte er einmal in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Einen ganz bestimmten Ausschnitt meiner Welt. Etwas anderes macht Döblin mit seinem Alexanderplatz auch nicht. Meine Bücher haben mit Heimat nichts zu tun.» Seine Romantrilogie aus Oberschwaben erschien zuletzt in einer Neufassung unter dem Titel «Einmal auf der Welt. Und dann so.» Außerdem erschienen zuletzt «Komm, gehen wir» und «Salvatore».
Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer, der im Berliner Ensemble in Kleists «Der zerbrochene Krug» auf der Bühne steht, las am Sonntag von Stadler ausgewählte Robert-Walser-Texte zu Kleist. Auch der Schauspieler Ulrich Matthes las zur gleichen Zeit im benachbarten Deutschen Theater Kleist-Texte mit einer Auswahl seiner Briefe («Geschichte einer Seele»).
Die Auswahl des ungarischen Autors Peter Esterhazy begründete der Präsident der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft, Günter Blamberger, mit dem erwünschten «Blick von außen» auf die deutsche Geschichte und Literatur – «2000 Jahre nach der Schlacht im Teutoburger Wald, 200 Jahre nach Kleists Niederschrift der “Hermannsschlacht” und 20 Jahre nach dem Mauerfall». Blamberger forderte im Hinblick auf das Kleist- Jahr 2011 zum 200. Todestag des Dichters die Wiederbelebung einer nationalen Kleist-Stiftung. In Berlin ist auch ein Denkmalswettbewerb zur Restaurierung der Kleist-Grabstätte am Kleinen Wannsee geplant.
Der Preis wurde erstmals 1912 anlässlich des 101. Todestages von Heinrich von Kleist vergeben, der sich am 21. November 1811 am Kleinen Wannsee bei Berlin erschossen hat. Der Preis wurde in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter anderem Carl Zuckmayer, Hans Henny Jahnn, Bertolt Brecht und Robert Musil verliehen. Nach Wiederbegründung des Preises 1985 waren Preisträger unter anderem Alexander Kluge, Thomas Brasch, Heiner Müller, Daniel Kehlmann, Wilhelm Genazino und zuletzt 2008 Max Goldt. Der Kleist- Preis ist mit 20 000 Euro dotiert.
Arnold Stadler: Autor mit Vorliebe für Skurriles
Mit Liebe und viel Spott hat der Schriftsteller Arnold Stadler seiner oberschwäbischen Heimat ein Denkmal gesetzt. Fast alle Bücher des in Rast bei Meßkirch geborenen Autoren drehen sich um skurrile Gestalten aus seiner Heimat. Für seine polemischen Beschreibungen einer verkorksten Gesellschaft erhielt Stadler 1999 die wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland, den Georg- Büchner-Preis.
Zum Schreiben kam er, als ihn seine Umwelt immer stärker zu irritieren begann. Die «heile Welt» des ländlichen Oberschwaben sei durch die Modernisierung nach dem Zweiten Weltkrieg immer stärker aus den Fugen geraten. «Ich fing an zu schreiben, weil ich nicht einverstanden war mit der Welt, die ich vorfand. Bei meinen Beschreibungen stellt sich dadurch zwangsläufig so etwas wie Gesellschaftskritik ein.»
Seine Karriere begann Stadler mit einem Lyrikband, den er 1986 im Alter von 32 Jahren veröffentlichte – nach katholischem Theologiestudium in München, Freiburg und Rom sowie Germanistikstudium und Promotion in Bonn und Köln. Mit «Ein hinreißender Schrotthändler» stürmt er 1999 schließlich die Bestsellerlisten. «Die Welt ist sprachverschlagend – aber auch zum totlachen. Ich sehe die Menschen in ihrer Lächerlichkeit, wenn sie etwa in ihren Geländewagen herum fahren, wo es völlig eben ist», sagte Stadler. Weil die Themen Heimat und Heimatlosigkeit fast alle seine Werke durchziehen, werfen manche Kritiker ihm eine «inhaltliche Stagnation» vor.
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