Das «Wunderkind» Frankreichs

Petra Bohm | Posted 04/11/2009 | Autoren, Preise und Events | Keine Kommentare »

Prix Goncourt für Erfolgsautorin Marie NDiaye…

Der begehrte französische Literaturpreis, der «Prix Goncourt», geht in diesem Jahr an Marie NDiaye für ihren Roman «Trois femmes puissantes» (etwa: Drei starke Frauen). Wie französische Medien berichteten, wurde die 1967 in Pithiviers bei Orléans geborene Autorin im ersten Wahlgang gewählt. Das Werk der 42- Jährigen beschreibt die Lebensgeschichte dreier Frauen im Spannungsfeld zwischen Afrika und Frankreich. Die mit ihrer Familie in Berlin lebende Schriftstellerin hat sich international vor allem mit «Rosie Carpe» einen Namen gemacht. Der «Prix Goncourt» ist mit symbolischen 10 Euro dotiert, zählt aber zu den begehrtesten Literaturpreisen Frankreichs, weil er die Auflage des preisgekrönten Werkes in der Regel stark erhöht. Marie NDiaye ist die erste farbige Autorin, die den «Prix Goncourt» erhält.

Marie NDiaye gilt als das «Wunderkind» der französischen Gegenwartsliteratur. Denn mit 42 Jahren kann die französische Schriftstellerin auf rund 20 Romane und Novellen blicken. «Lesen war immer mein Hobby, aber Schreiben ist etwas, das muss ich tun», erklärte die Französin ihre Schreibbesessenheit. Ihren ersten Roman veröffentlichte NDiaye mit knapp 18 Jahren. Seitdem macht die selbstbewusste und mehrfach Ausgezeichnete, die für ihren jüngsten Roman «Trois femmes puissantes» (etwa: Drei starke Frauen) als erste dunkelhäutige Französin mit dem begehrten Literaturpreis «Prix Goncourt» ausgezeichnet wurde, regelmäßig von sich reden.

NDiaye ist die Tochter eines Senegalesen und einer Französin, dennoch hat ihre doppelte Herkunft sie nicht zu einer Suchenden nach ihrem Ursprung gemacht. «Ich habe keine doppelte Kultur, schade eigentlich, aber gleichzeitig musste ich auch nicht unter dem Zerrissensein leiden, das oft damit einhergeht», erklärte die Autorin einmal. NDiaye wurde in Frankreich geboren, in Pithiviers bei Orléans, wo sie auch groß wurde. Ihren Vater lernte sie erst mit 11 Jahren kennen. Sie sei in einem Milieu erwachsen geworden, das einfach und gewöhnlich gewesen sei.

«Was ich von der Welt weiß und vom Leben in Frankreich, ist dort entstanden, in einer tristen, farblosen Provinz», sagte sie einmal. Vielleicht rührt daher ihre nüchterne, aber sehr präzise Sprache, die alle ihre Werke und Geschichten auszeichnet, die oft von Frauen und ihren Familien in schwierigen Lebenssituationen handeln. Ihr eigenwilliger Stil wird gern mit dem des «Nouveau roman» verglichen, einem Stil ohne Pathos und Schnörkel.

Ihre abgeklärte Schreibe ist für NDiaye ein Werkzeug geworden, um ihre Situation als Schriftstellerin und als Farbige besser zum Ausdruck zu bringen. «Ich fühle die Fremdheit, Schriftsteller zu sein in einer Gesellschaft, wo die meisten das nicht sind. Das sondert mich ab. Ich spüre sie auch als Farbige, aber nicht schmerzlich, vielmehr objektiv», meinte sie.

Einer ihrer meist verkauften Romane ist «Rosie Carpe», mit dem ihr der endgültige Durchbruch im Ausland gelang. Darin geht es um eine junge Frau, die im Tropenparadies Guadeloupe ihr Glück sucht. Der Roman schaffte es auf die französische Bestsellerliste, wurde in rund 15 Sprachen übersetzt und 2001 mit dem «Prix Femina» ausgezeichnet. Die Französin lebte unter anderem in Spanien, auf den französischen Antillen und seit 1993 auch immer wieder in ihrer jetzigen Wahlheimat Berlin.
© Sabine Glaubitz/dpa

{cms:image:2}Eine junge Frau steht in der überfüllten Ankunftshalle des Flughafens von Pointe-Pitre, an ihrer Hand ein ängstlicher Junge. Die Frau wartet. Sie hat ein Leben hinter sich gelassen, fern in Frankreich, und wartet darauf, dass ein neues beginnt, jetzt und hier, im Tropenparadies Guadeloupe. “Und Lazare?” fragt das Kind. “Wo ist Lazare, Mama?” Eine Reisegruppe nach der anderen wird mit Blumen in Empfang genommen. Aber Lazare kommt nicht. Marie NDiayes eigenwillige poetische Sprache zieht den Leser in den Sog einer geheimnisvollen, irritierenden Welt. Das erhoffte Paradies stellt sich nicht ein. Rosie Carpe muß erkennen, dass sie ihrer Lebenssituation nicht entfliehen und alte Beziehungen nicht einfach ablegen kann. Auf Guadeloupe trifft sie ihre Familie wieder. Die Begegnung mit den lieblosen Eltern schmerzt sie, die frühere innige Liebe zu ihrem Bruder Lazare ist verschwunden. Dann begegnet sie Lagrand, der Rosie als einziger zu durchschauen scheint und ihr helfen will. Doch die Liebe zu Rosie zieht Lagrand mit hinein in einen Strudel aus Angst und Erinnern.

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