Frank Schirrmacher: “Payback”
Petra Bohm | Posted 20/11/2009 | Politik und Gesellschaft | Keine Kommentare »
Multitasking ist Körperverletzung
Was wollte ich gerade tun? Wieso haben die Dinge kein Ende mehr? Was geschieht mit meinem Gehirn? Fast jeder kennt zunehmende Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit als Folge von ständiger Überflutung mit immer neuen Informationen. Warum fühlen wir uns im Informationszeitalter förmlich gezwungen zu tun, was die neuen Technologien fordern und wie gewinnen wir die Kontrolle über unser Denken zurück?
Dieser Frage ist Erfolgsautor und Herausgeber der FAZ Frank Schirrmacher in seinem neuen Buch nachgegangen. Schnell stellt er fest: Nicht die Technologien sind Schuld, sondern die Tatsache, dass immer häufiger nur noch das im Menschen gefordert und gefördert wird, was mit den Rechnern kompatibel ist. Wir wissen mehr als je zuvor und fürchten doch ständig, das Wichtigste zu verpassen. Der Mensch ist nicht nur ein Fleisch- und Pflanzenfresser, er ist auch ein Informationsfresser. Informationen sind Vorteile und in der Informations-Nahrungskette siegt der, der am schnellsten und effektivsten Nachrichten sendet und empfängt. Aber diese neue Form des Darwinismus führt dazu, dass wir nicht mehr unterscheiden können, was wichtig ist und was nicht. Wir rufen unsere ganze Lebensbahn immer stärker wie Informationen ab und zerstören so unsere Fähigkeit, mit Unerwartetem umzugehen. Die Frage lautet, ob wir bereits begonnen haben, uns selbst wie Computer zu behandeln, und ob wir damit Gefahr laufen, den Menschen in mathematische Formeln zu verwandeln …
Denn die pure Koexistenz von Mensch und Computer führe zwangsläufig zum Sieg der künstlichen Intelligenz, meint Schirrmacher. Schon bald werden Computer zu Dingen fähig sein, die heute noch unvorstellbar scheinen. Sie werden unsere Wünsche besser kennen als wir selbst und in der Lage sein, sogar unsere Assoziationen in Software zu übersetzen. Wichtig sei, dass wir währenddessen unsere Fähigkeiten nicht verlieren. Wir können zurückfordern, was uns genommen wird, wenn wir die Stärken des Menschen neu bestimmen.
Ausgehend von Gesprächen mit den führenden Köpfen des Internet-Zeitalters und wichtigen Vertretern der modernen Psychologie zeigt Frank Schirrmacher, wie sich schon in den nächsten Jahren das Selbstbild des Menschen wandeln könnte und welche faszinierenden Antworten auf diese Krise möglich sind.
{cms:image:2}Frank Schirrmacher, Jahrgang 1959 studierte in Heidelberg und Cambridge. Seit 1994 ist er einer der Herausgeber der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung”. 2004 sagte er dem Altersrassismus den Kampf an – für sein Buch “Das Methusalem-Komplott” erhielt er u. a. den “Corine-Sachbuch-Preis” und die Auszeichnung “Journalist des Jahres 2004″. Mit “Minimum” landete er 2006 erneut einen publizistischen Coup und setzte das Thema des Jahres. Zuletzt erhielt er 2007 als erster Journalist den “Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache” und wurde 2009 mit dem “Ludwig-Börne-Preis” ausgezeichnet. Frank Schirrmacher lebt in Frankfurt und Potsdam.