Margaret Atwood wird 70
Petra Bohm | Posted 15/11/2009 | Autoren | Keine Kommentare »
«Ökokredit überzogen» – Autorin in Sorge um die Zukunft der Menschheit
Mit einem Werk von mehr als 50 Büchern ist Margaret Atwood als Kanadas größte Gegenwartsautorin bekannt. Wer sie gelesen hat, weiß von ihrer Sorge um die Natur und die Zukunft der Menschheit. Als Tochter eines Insektenforschers wuchs Margaret in der Wildnis auf. Noch heute verbringt sie jeden Sommer in einem Holzhaus mit Kanus vor der Tür, dafür ohne Strom und Wasser. An diesem Mittwoch (18. November) feiert Atwood den 70. Geburtstag. Ihre Romane, Short Stories, Gedichtbände, Theaterstücke, Hörspiele und Kinderbücher sind in 30 Sprachen übersetzt. Seit Jahren gilt sie als Anwärterin für den Nobelpreis in Literatur.
Atwoods Szenarien sind düster, ihre Perspektive von der Welt beängstigend. «Wir haben unseren Ökokredit überzogen», warnt sie. «Wir haben die Naturbank geplündert. Wir können die Natur nicht weiter in diesem gefährlichen Tempo vertilgen, ohne uns selbst und alles andere auf dem Planeten zu töten.» Neuerdings jedoch sieht sie Anzeichen für einen Bewusstseinswandel: «Die Ich-Ich-Ich-Ära, in der wir so lange lebten, ist erst einmal vorbei. Der Blick aufs Leben wird weniger materialistisch sein. (…) Achten Sie mal darauf, es geht schon los», sagte Atwood vor einem Jahr dem Nachrichtenmagazin «Der Spiegel».
Die Leidenschaft für das geschriebene Wort begründet Atwood damit, dass sie in ihren ersten Lebensjahren weder von Spielgefährten noch vom Fernsehen abgelenkt wurde. So habe sie früh lesen gelernt und sei bis heute «süchtig» nach Büchern. Mit 12 saß sie erstmals in einem Klassenzimmer. Später zog es sie hinaus in die Welt. Atwood lebte unter anderem in England, Schottland und Frankreich. Noch heute sei sie eine Nomadin zwischen dem Stadtleben mit Opernbesuchen und Terminen als Ehrenpräsidentin des Internationalen Klubs für seltene Vögel auf der einen Seite und der Einsamkeit im Norden von Québéc auf der anderen. Atwood ist Mitglied der Grünen in Kanada, wird aber nur aktiv, wenn es um Umweltbelange geht, wie sie betont.
In ihrem Zukunftsroman «Oryx und Crake» (2003) führt die Biotechnologie zum jähen Ende der Menschheit. Eine Virusepidemie vernichtet alle bis auf einen Mann und eine Handvoll gentechnologisch fabrizierter Menschlinge. Das verheerende Szenario nutzt Atwood, um Fragen zur Umweltpolitik, Biotechnologie und den menschlichen Werten aufzuwerfen. In ihren ersten beiden Romanen «The Edible Woman» (1969; dt. 1985 «Die essbare Frau») und «Surfacing» (1972; dt. 1979 «Der lange Traum») setzte sie sich mit dem Rollenbild der Frau auseinander.
1973 erschien ihr erster satirischer Roman «Lady Oracle» (dt. 1984). Mit einem Werk auf den Spuren George Orwells überraschte Atwood ihre Leser Mitte der 1980er. «Der Report der Magd» (1987) beschreibt die moderne Versklavung der Frau durch religiöse Fundamentalisten in den USA. Regisseur Volker Schlöndorff verfilmte den literarischen Stoff 1989 zusammen mit ihr: «Die Geschichte der Dienerin».
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Mitte der 1990er eroberte sie neues Terrain. Nach dem Rollenbild der Frau konzentrierte sich Atwood auf historische Geschichten. In «Alias Grace» berichtet sie über die schöne Magd Grace, die 1843 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Für ihren Gesellschaftsroman «Der blinde Mörder» (2000) erhielt sie 2000 den Booker-Preis – die höchste Ehre für englischsprachige Literatur. Die Jury lobte ihre «Erzählkraft» und ihr «poetisches Auge». Im Oktober 2008 wurde Atwood der mit 50 000 Dollar dotierte Prinz-von-Asturien- Preis für ihr Gesamtwerk verliehen und im September dieses Jahres der mit 15 000 Dollar versehene Nelly-Sachs-Preis.
© Gisela Ostwald/dpa