Martin Suters Roman «Der Koch»

Petra Bohm | Posted 26/01/2010 | Belletristik | Keine Kommentare »

Fingerfood für die Libido

Ob ein Schweizer je etwas Sinnlicheres geschrieben hat? Martin Suter serviert in seinem neuen Roman «Der Koch» Menüs, bei denen sich die Gäste die Finger abschlecken und zum Nachtisch immer noch Hunger haben – auf den Tischnachbarn. Alle Rezepte dieser raffinierten Love-Menüs sind zum Nachkochen im Anhang des Romans beschrieben. Ungeübte sollten jedoch lieber zu anderen Verführungsmitteln greifen. Denn die Rezepte, die der Autor sich nach eigenen Angaben selbst ausgedacht hat, verlangen Training in der modernen molekularen und Kenntnisse der ayurvedischen Küche.

Maravan, der Kochkünstler im Roman, ist Tamile. Als Asylbewerber in der Schweiz wird er nur als Hilfskraft im Restaurant beschäftigt, als Tellerwäscher, als Mann fürs Grobe. Eines Tages verliert er auch noch diese Stellung. Doch was er bei seiner Großtante über die traditionelle Küche Sri Lankas gelernt hat, lässt ihn bald zum geheimen Star all derjenigen aufsteigen, die sich von seiner Kochkunst ein neues Erblühen ihrer Libido erhoffen.

Schuld an dem beruflichen Wechsel ist ein winziger Ausrutscher, den sich der strebsame, fleißige, blitzsaubere Maravan erlaubt. Er verliebt sich in seine Kollegin Andrea und entwickelt das Love-Menü in eigener Sache. Das Ergebnis ist zwiespältig. Kurzfristig hat Maravan den erwünschten Erfolg, langfristig wird Andrea zu seiner Geschäftspartnerin im neuen Business – und Maravan ahnt schon, das kann ganz schön unanständig werden.

Das liegt vor allem an der Kundschaft, die bald nicht nur aus alten Eheleuten, sondern auch aus modernen Geschäftemachern besteht. Die wollen außer an der asiatischen Kost vor allem auch an jungen Models naschen. Noch mehr verabscheut der Koch jedoch, womit einige von ihnen das Geld für die aufwendige Kost verdienen – mit dem Handel jener Waffen, die Tausenden in Maravans Heimat den Tod bringen.

Der Autor bemüht sich sehr, die isolierte Stellung des Tamilen in der Schweizer Gesellschaft und seinen verzweifelten Kampf um ein wenig Erleichterung für die Familienmitglieder in dem politisch zerrissenen Heimatland deutlich zu machen. Beim Leser weckt das jedoch weniger Emotionen als die Beschreibungen von Düften und Beschaffenheit der Speisen. Denn die Verbindung nach Sri Lanka läuft über Mittelsmänner, undeutliche Telefongespräche oder Abbildungen im Internet – das Grauen bleibt weit weg.

Martin Suter, 1948 geboren, war früher Werbefachmann, sogar Creative Director einer renommierten Werbeagentur und zehrte von diesen Erfahrungen in wöchentlichen Zeitungskolumnen über die Business-Class. Daneben schrieb er Reportagen und seit der Veröffentlichung von «Small World» 1997 einen Bestseller-Roman nach dem anderen. Heute lebt er außer in der Schweiz in Guatemala und auf Ibiza. Seine Romane spielten zwar in der Schweiz, entstünden aber meist in Mittelamerika, erzählte er in Interviews. Derzeit läuft die Verfilmung von Suters Roman «Lila Lila» in den deutschen Kinos.
© Katrin Börner/dpa

Seit der Schweizer Erfolgsautor Martin Suter 1997 seinen Roman «Small World» herausbrachte, schreibt der ehemalige Werbefachmann einen Bestseller nach dem anderen.

Ihr neuer Roman spielt zwar wieder in der Schweiz, die Hauptfigur ist aber ein Fremder, ein Tamile. Warum haben Sie diese exotische Abweichung gewählt?

Suter: «Meine Hauptfigur musste ein Küchengehilfe sein. Da stößt man in der Schweiz als erstes auf die Tamilen.»

Der tamilische Koch hat alle Eigenschaften, die man landläufig einem guten Schweizer zurechnen würde. Er ist strebsam und fleißig, persönlich bescheiden, erstklassig in seinem Handwerk und benimmt sich Frauen gegenüber, naja meist, wie ein altväterlicher Kavalier. Haben Sie damit nicht vielleicht die Assimilierung übertrieben?

Suter: «Die Tamilen sind die beliebtesten Asylbewerber der Schweiz. Vor allem wegen dieser Eigenschaften und ihrem großen Talent zur Assimilation.»

Sie kochen selbst gern, danken für die Rezepte zum Roman aber einem Profi-Koch. Haben Sie selbst Erfahrungen mit der molekularen Küche – nicht nur beim Essen – und eventuell auch eigene Erfahrungen mit den Liebesmenüs?

Suter: «Die Rezepte habe ich mir schon selbst ausgedacht, aber der Molekularkoch Heiko Antoniewicz war so nett und hat sie auf ihre Machbarkeit geprüft. Ich selbst habe kaum Erfahrung mit der molekularen Küche. Vom Schriftsteller wird ja etwas Fantasie erwartet.»
Interview: Katrin Börner, dpa

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