Harry Hole jagt den «Leopard»

Petra Bohm | Posted 01/02/2010 | Krimis | Keine Kommentare »

Grandios gruselig

Seit Monaten warten seine Fans sehnsüchtig, nun ist es so weit: Harry Hole ist wieder auf der Jagd. Und obwohl Jo Nesbø seinen Ermittler nun schon in sein achtes Abenteuer schickt, machen sich keinerlei Abnutzungserscheinungen bemerkbar. Nesbø beginnt «Leopard» mit enormem Tempo – und behält es bei. Mehr als 500 Seiten Vollspannung – da wird jede Zwangspause beim Lesen zur Qual.

Hole, Paradebeispiel eines verkorksten Ermittlers, hat sich nach dem verheerenden Finale seines letzten Falls («Schneemann») nach Hongkong geflüchtet. Sein Dämmern im Drogenrausch findet ein jähes Ende, als in seiner Heimatstadt Oslo grausame Morde geschehen, die offenbar Taten eines Serienkillers sind. Eine Kommissarin holt den Superermittler heim – nicht zuletzt mit der Anmerkung, sein Vater liege im Sterben.

Erschwert werden die Ermittlungen durch Kompetenzrangeleien zwischen Morddezernat und Kriminalamt mit dem schmierigen Egomanen Mikael Bellman als Leiter. Hole allerdings lässt sich davon kaum beeindrucken, waren doch Gesetzestreue und Obrigkeitsrespekt ohnehin nie sein Ding. Bei der Auswahl der Todesarten beweist Norwegens erfolgreichster Krimiautor erneut Fantasie: Einige Oper werden mit einer immer gleichen Zahl von Stichen getötet – vom Inneren ihres Mundes aus.

Perfide ist aber nicht nur das Mordwerkzeug, sondern auch die Wendung der Geschichte. Wie auch in den früheren Büchern lockt Nesbø sehr geschickt auf falsche Fährten – die zumindest einige Hole-Fans diesmal aber wohl eher durchschauen werden als bei vorangegangenen Fällen. Treu bleibt Nesbø auch seiner Eigenart, Hintergründiges zu eher abseitigen Themen einzuarbeiten. Diesmal ist es die Lage im Kongo und in Ruanda, die von ihm kenntnisreich einbezogen wird.

Hole, von lichten und dunklen Seiten getriebener Alkoholiker und im Auge der Gesellschaft eine gescheiterte Existenz, hat eine Menge auszuhalten: Er muss zwischen unschuldigen Menschen wählen, welcher den Tod findet, seinem Vater Lebewohl sagen – und sich, mehrfach unmittelbar vorm Tod, schließlich selbst das Gesicht zerfleischen. Ein äußerst harter Nesbø, und ein äußerst guter. Das Ende des Buches ist furios – wird aber so manchem Leser fast schon zu dick aufgetragen sein.

Die Zutaten Nesbøs zu seinen Hole-Geschichten unterscheiden sich im Grunde nicht von denen anderer Krimiautoren – nur gelingt ihm die Mischung so fesselnd, klug und originell wie kaum jemandem sonst. Kaum zu glauben, dass der Norweger einst eine Ausbildung zum Diplomkaufmann absolvierte und als Finanzanalyst arbeitete. Auch als Sänger und Komponist – der Popgruppe Di derre – und als Makler und Journalist war er aktiv. Für seine literarischen Werke erhielt er in den vergangenen Jahren mehrfach Auszeichnungen. Seine Bücher werden nach Verlagsangaben in mehr als 30 Sprachen übersetzt.
© Annett Klimpel/dpa

Share and Enjoy:
  • Print
  • Digg
  • Sphinn
  • del.icio.us
  • Yahoo! Bookmarks
  • Facebook
  • Mixx
  • Google Bookmarks
  • Blogplay
  • LinkedIn
  • StumbleUpon
  • Twitter
  • RSS

Kommentar verfassen

Connect with Facebook

Leseprobe

Related Posts

  • No Related Post