Die Menschlichkeit der Welt entscheidet sich am Schicksal Afrikas
Frauke Schlieckau | Posted 05/06/2010 | Sachbuch | Keine Kommentare »
Schnell geht es durch den Sicherheitscheck, dann an ein paar befrackten Gestalten vorbei durch die langen Säale. Die Absätze hallen auf dem gebohnerten Parkett. Gerade noch rechtzeitig nehme ich auf einem der hinteren Sitze Platz, bevor Horst Köhler das Podium betritt. Im Publikum sitzen zahlreiche der Beiträger, denen das Erscheinen des Buches und die Vielfältigkeit der behandelten Afrika-Themen zu verdanken ist. Der Filmregisseur Volker Schlöndorff zum Beispiel. Oder Dr. Phil. Asfa-Wossen Asserate, der Grossneffe des letzten äthiopischen Kaisers. Der schwedische Schriftsteller Henning Mankell hingegen fehlt – er ist, wie sich wenig später herausstellen wird, gerade auf hoher See auf einem der Schiffe, die nur wenige Stunden später am Montag Morgen von israelischen Soldaten gestürmt werden.
In Bellevue betritt derweil Unity Dow, Richterin am Hohen Gerichtshof in Botsuana das Podium. Sie trägt ein traditionelles afrikanisches Kleid. Der Stoff fällt weich, sie wirkt entspannt, aber das täuscht, denn die Botschaft die ihr Beitrag „Diamanten bedeuten Liebe. Kühe etwa nicht?“ beinhaltet, bringt sie dem Publikum mit großer Bestimmtheit bei. Die Juristin, das wird schnell deutlich, sieht einen Großteil des Probleme Afrikas im mangelnden Selbstbewusstsein der Afrikaner begründet, die statt ihre eigenen Wurzeln und Traditionen einzubeziehen, versuchen, ihrem Kontinent bei der Neugestaltung ein westliches Gewand überzustreifen. Sie verdeutlicht ihre These indem sie zahlreiche Fragen aufwirft. Zum Beispiel, weshalb ein Verlobungsring ein anerkanntes Geschenk des Bräutigams ist, Kühe hingegen nicht. „Hat man uns irgendwann überzeugt, dass eine Eigentumsübertragung vom Mann auf die Frau nur dann ein Zeichen der Liebe ist, wenn ausschließlich diese zwei Menschen beteiligt sind, aber unzivilisiert, wenn sie noch andere Personen mit einbezieht?“ Sie macht eine kurze Pause, dann fügt sie hinzu: „Partnerschaft beruht auf Gleichberechtigung, und Gleichberechtigung beruht auf Selbstbewusstsein. Nur wenn Afrika selbstbewusst die eigenen Stärken erkennt, wird es an sich selbst glauben können, und nur wenn es an sich selbst glaubt, kann es darauf hoffen, für den Westen ein Partner zu sein.“
Dass sowohl die Afrikaner, vor allem aber der Westen einen neuen Blick entwickeln muss, wenn Afrika der Weg in eine bessere Zukunft gelingen soll, dass macht auch Horst Köhler in einem anschließenden Gespräch mit der Journalistin Ute Schaeffer deutlich. Sein Engagement beruht nicht zuletzt auf einer persönlichen Affinität für den Kontinent und so fügt er hinzu, wie sehr gerade die Lebensfreude der Afrikaner ihn beeindruckt. „Einmal Afrika immer Afrika“ erklärt er sein intensives Engagement für den Kontinent.
Gemeinsam mit der Zeit-Stiftung und unter Mitwirkung der Bundesregierung rief Bundespräsident Horst Köhler 2005 die Initiative „Partnerschaft für Afrika“ ins Leben. Auf bisher vier Afrika-Foren kam er seither mit reformorientierten Staats- und Regierungschefs sowie mit unabhängigen Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Zivilgesellschaft aus Afrika und aus Europa ins Gespräch.
Die Frage ob er sich auch künftig in seinem Amt als deutscher Bundespräsident für Afrika engagieren wird, umschifft er geschickt. Dann bittet er in den Nebenraum zu Weißwein und Straußenfleisch, Ochsenschwanzbällchen und Rosé. Am nächsten Morgen gibt Horst Köhler seinen Rücktritt bekannt…
Mit der Buchvorstellung von „Schicksal Afrika“ endet somit nicht nur ein Herzensprojekt von Horst Köhler an dem in dem vergangenen Jahr fleißig gearbeitet wurde, sondern auch seine Amtszeit als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Was bleibt, ist ein Buch, dass sich zu lesen lohnt, weil es den Horizont erweitert, uns hilft überkommene Denkstrukturen zu erkennen und unserem Nachbarkontinent Afrika ein Stück näher zu kommen.
Titel:
Schicksal Afrika. Mit Beiträgen von Henning Mankell, Thabo Mbeki, Volker Schlöndorff Asfa-Wossen Asserate. U.v.a.
ISBN-13:
978-3-499-626449
Autor:
Horst Köhler (Hg.)
Verlag:
rororo