Wie oft kann man sich neu erfinden?
Die junge Jüdin Rebecca, die mit ihren Eltern aus Deutschland in die USA eingewandert ist, erlebt in ihrer Kindheit und Jugend nichts als Schrecken, Demütigung und Scham. Dem Judenhass ist die Familie auch in den USA nicht entronnen. Die Nachbarn malen Hakenkreuze auf die Wände des kleinen Hauses, in dem Rebecca mit ihren Eltern und den zwei Brüdern am Rande eines Friedhofs jetzt lebt. Ihr Vater Jacob ist Totengräber geworden, und Rebecca ist nun „Die Tochter des Totengräbers“. So lautet übrigens der Originaltitel des Romans. Zu wenig Licht scheint es in diesem jungen Leben zu geben. Oder sind es die Schatten der Vergangenheit, die Rebeccas Lebensweg in Düsternis tauchen? Ein schrecklicher Schicksalsschlag trifft sie, wieder muss sie aufbrechen. Sie kommt bei einer überzeugten Christin unter, die es gut mit Rebecca meint, aber auch dort kann sie nicht bleiben. Und erneut macht sich Rebecca auf den Weg. Sie findet Arbeit, lernt einen Mann kennen, heiratet ihn, bekommt ein Kind. Man hofft für sie, dass nun alles gut werden wird. Doch Rebeccas Ehemann entpuppt sich als brutaler Trinker, er misshandelt sie und den kleinen Sohn. Ein Fluch scheint auf Rebeccas Leben zu liegen. Sie beschliesst, ein weiteres Mal alles hinter sich zu lassen. Doch diesmal soll es auch das letzte Mal sein. Ab sofort will Rebecca jemand anders sein. Sie erfindet sich neu: Frisur, Job, Name, Aufenthaltsort und flieht mit dem Kind…
Es ist wie eine Häutung, die alte Rebecca soll abgestreift werden. Doch kann das gelingen? Ist es möglich, sich von seiner Vergangenheit abzuwenden? Joyce Carol Oates greift diese Frage mit ihrer ihr eigenen, erzählkünstlerischen Weise auf. Ein grandioser Roman, dunkel, faszinierend, mitreissend, der seinem deutschen Titel alle Ehre macht: GEHEIMNISVOLL! Aber auch so ergreifend, dass man beim Lesen weinen könnte. Rebeccas Schicksal, das mit dem der „Tochter des Totengräbers“ untrennbar verwoben scheint, geht einem tagelang nicht mehr aus dem Kopf.