“Wiedergänger” von Alexandra Kui
Tanja Wekwerth | Posted 15/06/2010 | Die Redaktion empfiehlt | Keine Kommentare »Ein Wiedergänger? Was soll denn das sein?
Ein Wiedergänger ist eine Geistergestalt, die aus der Welt der Toten in die der Lebenden kommt, um ein erlittenes Unheil zu rächen. Doch befürchten Sie jetzt keine gruselige Gespenstergeschichte. Alexandra Kui hat mit “Wiedergänger” ein äusserst subtiles Familiendrama vorgelegt.
Vor vielen Jahren haben zwei Kinder ihren Vater lebendig begraben. Diese Greueltat legt sich fortan wie ein Fluch über die nachkommenden Generationen, die allesamt, ohne von der Untat zu wissen, mittragen an der übergrossen Schuld. Da ist Liv, eine junge Sprengmeisterin aus Lübeck, die sich auf die Suche nach ihrem plötzlich verschwundenen Grossvater macht, den niemand aus der Familie sonderlich zu vermissen scheint. Und dann gibt es noch Fritzi, die alte, deutsche Frau, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Island ausgewandert ist. Livs Suche nach dem Grossvater führt sie ausgerechnet nach… Island, und dem Leser stellt sich immer drängender die Frage: Was haben diese beiden Frauen miteinander zu tun? “Wiedergänger” ist ein Roman mit Sogwirkung, der sogar ein bisschen Krimi-Appeal aufweist. Und neben wirklich atemberaubenden Beschreibungen isländischer Landschaften, werden von Alexandra Kui auf meisterhaft psychologische Weise alte Familienmuster beleuchtet, die sich immer wiederholen und dabei so zerstörerisch sind. Wiedergänger eben.
Das magische Licht (“wie ein Kampfschrei”) in Island scheint die junge, bei Hamburg lebende Autorin auch persönlich nicht unberührt gelassen zu haben. Elf Lieder über die Liebe, das Meer und das Leben singt sie auf ihrer CD “Sturmland” und fasst in knappe Worte wie es dazu kam: “Eine ziemlich missglückte Reise, eine Zufallsbekanntschaft in einer Hotelbar und ein unvergesslicher Tag in den rauen Weiten der isländischen Natur – das sind die Schlüsselereignisse für das Entstehen des Albums Sturmland.”
Eine faszinierende Frau, ein grossartiger Roman, eine wunderschöne CD. Hut ab, Frau Kui. Und bitte weiter so!