Verstörend schön?
Frauke Schlieckau | Posted 07/02/2011 | Autoren, Belletristik | Keine Kommentare »Dunkelgrüner Einband, grün auch der Name des Autors auf dem Cover: Philip Roth. Grün wie die Hoffnung, von der es, nebenbei bemerkt, in seinem heute erschienenen Roman „Nemesis“ nicht sonderlich viel zu geben scheint …
In „Nemesis“ berichtet Philip Roth vom Ausbruch einer Polioepidemie. Es ist Sommer, der Zweite Weltkrieg geht gerade zu Ende. Mit dem Auftreten der ersten Fälle nach den Unruhen im Makrokosmos Welt, beginnt irgendwo in Amerika der Kampf im Mikrokosmos von Bucky Cantor, einem Sportlehrer, der nach Ausbruch der Epidemie versucht seinen Schülern im Kampf gegen die Krankheit beizustehen.
„Den ersten Poliofall in jenem Sommer gab es Anfang Juni, kurz nach dem Memorial Day, in einem armen italienischen Viertel auf der anderen Seite der Stadt. In unserem jüdischen Viertel Weequahic im Südwesten von Newark hörten wir nichts davon, ebenso wenig wie von den nächsten Dutzend Fälle, die in praktisch allen Vierteln außer unserem auftraten“ beginnt Philip Roth’s Ich-Erzähler die Geschichte eines Untergangs.
Wie die Chancen auf einen guten Ausgang stehen, ist jedem, der Philip Roth’s Literatur kennt, bereits nach den ersten Zeilen relativ klar. Auch der Titel „Nemesis“ lässt alles andere als Gutes vermuten: Er bezeichnet sowohl einen Stern, einen hypothetischen Begleiter unserer Sonne, der wahrscheinlich aufgrund von mehreren Kometeneinschlägen und Artensterben entstanden ist, als auch die griechische Göttin des gerechten Zorns und der Vergeltung.
„Was als eine Art historischer Kurzroman daherkommt, ist, wie kann es anders sein, in Wirklichkeit die nächste Variation eines großen, über allen Trends und Moden schwebenden Weltentwurfszyklus, in dem Roth keine tröstlichen Töne mehr anschlägt“ schreibt daher auch die FAZ in ihrer just erschienenen Rezension und erwähnt die „verstörten“ Reaktionen diverser Literaturkritiker.
Über die sprachlichen Fähigkeiten Philip Roth, Pulitzer-Preisträger und einer der wichtigsten Schriftsteller der Gegenwart, lässt sich wohl kaum streiten. Seine Texte sind gekennzeichnet durch eine klare, gleichermaßen verstörende wie schöne Sprache. Der Plot ist spannend, das Thema spricht an und bewegt. Ob “Nemesis” sich gegenüber Roth anderen großen Werken wie „Der menschliche Makel“ und „Amerikanisches Idyll“ behaupten kann, wird sich allerdings noch zeigen müssen.
Trotzem oder gerade deshalb gehört natürlich jeder Philip Roth in ein wohlsortiertes Bücherregal mit Anspruch. Oder?