„Und wer fiel, ertrank. Das Wasser war überall.“

Hannah Gi | Posted 13/05/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »

Das klingt nicht umsonst biblisch und apokalyptisch, im Debütroman von Frans Pollux geht es in der Tat um nichts anderes als eine große Flut, die zwar nicht alles, aber doch genug Leben auf der Erde auslöscht, um für einen kompletten Neustart zu sorgen…

Aber warum? Um einen göttlichen Ratschluss, so viel sei verraten, handelt es sich nicht. Hier sind handfeste Interessen am Werk, und das Ende der Menschheit wird nicht aus moralischen, sondern aus ökonomischen Gründen eingeleitet – sehr zur Überraschung der Hauptperson Syrus, der sich, als großer Fan der herrschenden Ordnung, gerade so richtig gut etabliert hat, und nicht nachvollziehen kann, was es aus Sicht der Herrschenden zu optimieren geben könnte.

Syrus ist Steuerbeamter und ein unerträglicher Typ. Selbstgefällig, großkotzig, unsensibel und stets auf sein eigenes Fortkommen bedacht. Kostprobe gefällig? Sechs Wochen nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau schmeißt sich Syrus an eine Zufallsbekanntschaft heran, die ihn mit ihrer Körbchengröße beeindruckt. Er erzählt ihr, dass seine Frau umgebracht wurde. „´Sie wurde ermordet?` Ich nickte, und zwinkerte mit den Augen. ´Wie entsetzlich!` Sicher, dachte ich. Kein schöner Tod. Andererseits: Wer die Gefahr liebt, kommt darin um. ´Sie fehlt mir so schrecklich.` Das war noch nicht einmal gelogen. Fehlt einem Mann nicht immer eine Frau, wenn er keine hat? Mir jedenfalls. (…) es funktionierte, sie zog mich an sich.“

Die restlichen Figuren des Romans wachsen einem auch nicht unbedingt mehr ans Herz, am nervigsten Syrus´ Kollege Dissel, den man nach wenigen Seiten erst recht nicht leiden kann. Das tut der Geschichte nicht unbedingt Abbruch, aber wer in Büchern positive Idendifikationspersonen braucht, wird es mit Syrus und seinen Bekannten schwer haben. Mit diesem Personal entwickelt Pollux eine verschachtelte, mit verschiedenen Zeitebenen spielende Erzählung, bei der sich die Chronologie erst am Ende erschließt, und noch nicht einmal klar ist, wer sie letztendlich erzählt hat.

Sicher ist: Syrus´ Frau ist eine Verschwörerin gegen das System, dem sich Syrus mit Haut und Haar verschrieben hat. Sie fliegt auf und stirbt. Ihre Mitverschwörer brauchen ein Dokument, von dem nur Syrus weiß, wo es sich befindet. Und Syrus seinerseits kriegt als Ehemann einer Terroristin echte Schwierigkeiten mit den Behörden. Dabei gehen alle Parteien nicht besonders zart besaitet miteinander um, am humansten agieren noch die Verschwörer, der Rest geht über Leichen, prügelt und foltert, ohne daran etwas Besonderes zu finden. Auch Syrus hat mit Gewalttätigkeit kein Problem, weder als Opfer, noch als Täter. Allerdings muss er am Ende erkennen, dass er nie wirkliche Wahlmöglichkeiten hatte: „…und nur ich weiß, dass auch ich kein Spieler war, sondern der Ball, und das ist es, was ich erst jetzt begreife…“.

Frans Pollux versteht sein Handwerk, und wie er mit Erzählstilen, Zeitebenen und Emotionen spielt, hat mich darüber hinweggetröstet, dass er es nötig fand, seine Geschichte in eine zukünftige fiktive Gesellschaft zu verlegen, die irgendwie noch schlimmer sein soll als die heutige Ökonomie, die er doch ganz offensichtlich in ihren Auswüchsen anprangern möchte. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Ansonsten: Tolle Schreibe, tolle Figuren und eine fesselnde Geschichte – ich hoffe auf einen Folgeroman!

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Titel:
Tage der Flut: Roman

ISBN-13:
9783351033392

Autor:
Frans Pollux

Verlag:
Aufbau Verlag

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