«Ich schildere Scheusslichkeiten ganz anderer Art»
Books | Posted 07/06/2011 | Autoren, Krimi, Orell Füssli | Keine Kommentare »Die deutsche Thriller-Autorin Petra Hammesfahr beschreibt kleine und grosse Katastrophen von nebenan. Damit feiert sie einen Erfolg am anderen – jetzt gerade mit ihrem neuesten Thriller «Der Frauenjäger». Im Gespräch verrät sie, wie sie zum Schreiben kam und weshalb sie bei Psychothrillern keine Gemetzel mag…
books: Wie sind Sie aufs Schreiben gekommen?
Petra Hammesfahr: Mit vier Jahren fing ich an, wilde Geschichten zu erzählen – ich weiss nicht weshalb. Aber ich erinnere mich an eine Begebenheit, die damals für viel Furore sorgte: Im Haushalt gegenüber gab’s ein Dienstmädchen, die Lotte. Sie hatte sich bei meiner Grossmutter über etwas beschwert, und ich hatte ein bisschen gelauscht. Danach erzählte ich im Lebensmittelladen, die Lotte habe ganz furchtbar geweint, weil sie immer in den Keller gesperrt werde. Obwohl die Herrschaft von Lotte beteuerte, sie tue der Lotte doch um Gottes Willen nichts, argwöhnten die Dorfbewohner: «Das kleine Mädchen saugt sich eine derartige Geschichte doch nicht einfach aus den Fingern.»
Inzwischen ist das Geschichtenerzählen Ihr Beruf – oder sogar Ihre Berufung.
Eine Berufung war es immer. Ich wollte in meinem Leben nie etwas anderes machen. Mit 17 Jahren heiratete ich meinen ersten Mann, weil er mir versichert hatte, bei ihm dürfe ich immer tun, was ich wolle. Bei meinen Eltern durfte ich das nicht. Dort verbot mir meine Mutter sogar das Lesen.
Was hat die Mutter denn zu diesem Verbot veranlasst?
Zu Hause hiess es wegen meiner blühenden Fantasie immer, ich spinne. Um das nicht zu fördern, durfte ich nicht lesen. Einmal hatte ich in der Schule trotzdem ein Buch ausgeliehen. Als meine Mutter es in der Schultasche fand, verbrannte sie es – und ich musste das später erklären. Als Kind gehen Sie nicht hin und sagen, meine Mutter hat das Buch verbrannt. Also nahm ich alles auf mich und behauptete, ich hätte es verschludert.
Gebracht hat das Verbot Ihrer Mutter offensichtlich nicht viel …
Im Gegenteil! Während meiner Schulzeit spazierte ich mit meiner Freundin Arm in Arm über den Schulhof, erzählte ihr eine Geschichte nach der anderen und behauptete, ich hätte das alles gestern Abend gelesen … Kein Mensch hätte so viel lesen können, doch das fiel niemandem auf. Obwohl ich keine Bücher lesen durfte, hielten mich alle für eine Leseratte.
Haben Sie Ihre Mutter später auf das sinnlose Verbot angesprochen?
In meiner zweiten Ehe begann ich regelmässig sechs bis acht Stunden täglich zu schreiben – mit 28 Jahren und nach der Geburt meines ersten Sohnes. Doch ich war lange erfolglos und hörte immer wieder: «Hör doch endlich auf mit dem Quatsch und mach etwas Vernünftiges.» Als ich mit 40 Jahren endlich das erste Buch veröffentlichen konnte, war das alles plötzlich nicht mehr wahr. Meine Mutter sagte einmal: «Ja, wenn wir das früher gewusst hätten!» Sie war dann auch stolz auf meinen Erfolg, nur konnte sie das nie richtig zeigen. «Ich bin stolz auf dich» oder «Ich habe dich lieb» gab es bei meinen Eltern nicht. Sie hatten die Einstellung der Kriegsgeneration, der es wichtiger war, dass man etwas zu essen hatte.
Ist das Schreiben für Sie heute Arbeit oder Vergnügen?
Ich habe einfach dieses Schreib-Gen, denke ich mal. Natürlich lernte ich einen «ordentlichen Brotberuf», aber den habe ich gehasst – nach drei Lehrjahren als Kaufmannsgehilfin beim Konsum habe ich nie in dem Beruf gearbeitet. Ich habe nie etwas anderes getan als zu schreiben. Das Vergnügen besteht darin, mich morgens mit dem Frühstück an den Computer zu setzen. Früher hiess es, ich solle mit dem Quatsch aufhören, und heute sagen die Leute: «Mein Gott, ist die diszipliniert!» Geschichten zu erfinden und niederzuschreiben – ohne das könnte ich gar nicht existieren. Kann ich nicht schreiben, bin ich krank. Vielleicht ist das Schreiben für mich auch eine Flucht…
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