Gerron
Petra Bohm | Posted 30/08/2011 | Autoren, Belletristik | Keine Kommentare »Den neuen und schon hochgelobten Roman des Zürcher Autors Charles Lewinsky findet ihr ab heute auf den Büchertischen – wir durften natürlich vorablesen und finden: Die fiktive Biografie des jüdischen Schauspielers Kurt Gerron, der dem Holocaust auf makabre Art zum Opfer fiel, ist mal wieder ein “echter Lewinsky”: fesselnd und ergreifend…
Der Roman setzt im August 1944 ein, als Kurt Gerron vom Kommandanten des KZ Theresienstadt einen teuflisch makabren Befehl erhält: Der Jude soll einen Propagandafilm über das Ghetto von Theresienstadt drehen, für eine Zu- oder Absage hat er drei Tage Zeit. Klar ist ihm, den Lewinsky aus der Ich-Perspektive fiktional biografisch berichten lässt, dass dieses Angebot keine Rettung vor der Deportation ist. Aber vielleicht bringt die Drehzeit einen Aufschub für Gerron und seine Familie, der 1944 durch den Kriegsverlauf lebensrettend sein könnte. Lohnt es sich für diesen Strohhalm von Chance seine Überzeugung zu verkaufen? Drei Tage nimmt nun der Leser am inneren Ringen des Hauptdarstellers teil und blickt dabei auf dessen bisheriges Leben zurück.
Kurt Gerron, Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin geboren lebte wirklich! Er arbeitete als Schauspieler und Regisseur. Er wirkte in der Dreigroschenoper von Bert Brecht mit und war z.B. Filmpartner von Heinz Rühmann, ohne dabei jemals zu wirklichem Ruhm zu gelangen. Wahrscheinlich kostete ihn eine gewisse Arroganz das Leben, denn er hatte durch ein Angebot aus Hollywood die Chance, dem Holocaust zu entfliehen, lehnte aber ab, weil ihm die angebotene Überfahrt in der 3. Klasse zu schäbig erschien. Er floh nach Holland und wurde von dort durch die Deutschen Besatzer ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort erhielt er den Befehl, einen Propagandafilm über Theresienstadt zu drehen, der unter dem Titel «Der Führer schenkt den Juden eine Stadt» auch veröffenlicht wurde. Im Herbst 1944 kurz nach Fertigstellung des Films wurde Gerron in Auschwitz vergast.
Lewinsky hat sich intensiv mit dem Leben seiner Hauptfigur auseinandergesetzt, in Archiven recherchiert und mit Zeitzeugen gesprochen. Trotzdem liess sich das Leben von Gerron nicht lückenlos recherchieren. Aus diesem Grund baute Lewinsky fiktionale Brücken ein, über die er sagt, dass sie lediglich diese Lücken logisch ergänzen.
“Ergreifend und gut recherchiert – und da, wo es nichts zu recherchieren gab, glaubhaft erfunden.” Felicitas von Twickel, ZDF Aspekte, 13.08.11
Bei der NZZ am Sonntag gibt es eine anspruchsvolle Rezension
Charles Lewinsky, geboren 1946, lebt in Zürich und in der Franche-Comté. Er arbeitete als Dramaturg, Regisseur und Redaktor, seit 1980 als freier Autor. Er hat Hörspiele, Theaterstücke, Romane, mehr als 700 Liedtexte für verschiedene Komponisten und über 1000 Fernsehsitcoms und -shows – so auch «Fascht e Familie» – geschrieben.