Jetzt und auf Erden – Nach fast 70 Jahren – endlich auf Deutsch!
Hannah Gi | Posted 31/08/2011 | Autoren, Belletristik, Krimi | Keine Kommentare »Amerika während des zweiten Weltkriegs: Wenn der erfolglose Autor James „Dilly“ Dillon nicht gerade bis zur Bewusstlosigkeit trinkt, streitet er sich mit seiner vielköpfigen Familie, kämpft gegen seine Schreibblockade und versucht, sich in seinem mühsam ergatterten Job in der Flugzeugfabrik zu behaupten. Der Umstand, dass er sich früher in der kommunistischen Partei engagiert hat, und dies unter allen Umständen verbergen muss, macht sein Leben auch nicht einfacher…
Man weiß gar nicht, was mehr unter die Haut geht: Die gnadenlose Beschreibung von Dillys´ Saufexzessen, die Schilderung der von Konkurrenz, Intrigen und fast beiläufiger Brutalität geprägten Arbeit in der Flugzeugfabrik, die deprimierenden, aufreibenden Auswirkungen der Armut, oder die herzzerreißenden Auseinandersetzungen in der Familie, in der sich alle eigentlich irgendwie lieben, aber es unter dem Druck der Verhältnisse einfach nicht schaffen…
Insbesondere die Familiendramen haben mich sehr bewegt, und das Buch wäre kaum auszuhalten, wenn sich beim Autor nicht immer wieder so etwas wie ein verzweifelter Humor einstellen und einem trotz aller Schrecknisse ein paar fröhliche Momente bescheren würde.
„Meine Leute hatten also entschieden, ich bräuchte mal Ruhe, also kochten sie, gingen früh an den Strand und blieben den ganzen Tag fort. Alle holten sich einen fürchterlichen Sonnenbrand. Noch Tage später gingen sie in Maisstärke gepudert und breitbeinig umher. Doch mein Mitgefühl hielt sich in Grenzen. Ich kam am Abend nach Hause, war von dem Chaos, das ich in der Fabrik angerichtet hatte, völlig aufgedreht und fertig, und es gab nichts zu essen, weil niemand sich hatte aufraffen können, einkaufen zu gehen. Dann wurde von mir erwartet, dass ich mich an die Betten setzte, Puder streute, und Tränen des Mitleids vergoss. Ich hatte in meinem Leben noch niemals so die Schnauze voll davon gehabt, mir Gesäße anzuschauen, und ich hatte schon eine Menge davon gesehen, wenn man das Windelwechseln für zwei Familien einbezieht, und – ach, was soll’s. Am liebsten hätte ich sie noch wunder geschlagen, als sie sowieso schon waren. ´Was um alles in der Welt habt ihr nur den ganzen Tag gemacht?` knurrte ich. ´Kopf gestanden?` ´Wir haben versucht, wegzubleiben, damit du dich erholen kannst.` ´Wäre das mit langen Hosen und einem Regenschirm nicht auch gegangen? Glaubt ihr, es wird mir besser gehen, wenn ihr euch grillen lasst?`…”
Schließlich wird Dilly bei der Arbeit auch noch von seiner politische Vergangenheit eingeholt, und er muss einem gar nicht freundlichen Herrn vom FBI Rede und Antwort stehen, der ihn für einen Saboteur und Vaterlandsverräter hält. Wie das ausgeht, wird nicht verraten, ich empfehle: lesen!
Jim Thompson wurde 1906 in Anadarko, Oklahoma, als James Myers Thompson geboren. Er begann früh zu trinken und schlug sich als Glücksspieler, Sprengstoffexperte, Ölarbeiter und Alkoholschmuggler durch. Obwohl er mit bereits 15 Jahren seine erste Kriminalgeschichte verkauft hatte, konnte er erst seit Beginn der fünfziger Jahre vom Schreiben leben. “Jetzt und auf Erden” erschien im Original 1942. Für Hollywood verfasste er zahlreiche Drehbücher, u.a. für so namhafte Regisseure wie Stanley Kubrick. Thompson gilt als zentraler Vertreter des Noir-Genres. Er starb 1977 in Los Angeles, seine Asche wurde im Pazifischen Ozean verstreut.