Piraten entern das erste Parlament
Petra Bohm | Posted 21/09/2011 | Sachbuch | Keine Kommentare »Das kam dann doch ziemlich überraschend am vergangenen Wochenende: 130.000 meist jüngere, gebildete Wähler machten in Berlin ihr Kreuz für die bis dato als Chaoten-Truppe verschriene Partei. Nach dem die etablierten Fraktionen den erste Schreck verdaut haben, macht man sich allseits nun auf die Spurensuche. “Nerd Attack” beleuchtet top-aktuell die digitale Revolution…
Computer, Internet, Spielkonsolen, Social Media – für die einen eine Selbstverständlichkeit, für die anderen unbekanntes Gelände, das sie sich erst erarbeiten müssen. Christian Stöcker, der das Ressort Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE leitet, erzählt auf rund 300 Seiten im Paperback die Geschichte der digitalen Revolution so, dass sie für Einheimische der digitalen Welt ebenso interessant ist wie für Zugereiste. Der studierte Psychologe beschreibt die Akteure der digitalen Szene und deren Selbstverständnis, die Einflüsse von Film und fantastischer Literatur, die Auswirkungen der Digitalisierung auf Gesellschaft und Wirtschaft sowie die Auseinandersetzungen über den digitalen Graben hinweg. Und das liest sich als persönliche Erzählung in der Ich-Form nicht nur höchst unterhaltsam, sondern ruft bei manchem sicherlich die eine oder andere Erinnerung wach. Ganz so wie die Piraten legt der Autor übrigens größten Wert auf Transparenz und so fehlt am Ende (im Gegensatz zu mancher Doktorarbeit) auch nicht ein recht umfangreicher Quellenverweis.
“Nerd Attack” versteht sich als Reise zu den Schauplätzen der digitalen Revolution, zu Bastlern und Programmieren, die die Welt verändert haben, zu Hackern und Crackern, einfachen Nutzern und ja – auch zu politisch ambitionierten “Piraten”. Es erzählt von den Wurzeln der Netzbewegung und davon, wie die Nerds die Gesellschaft unterwanderten, von unstillbarer Neugier und unaufhörlichem Wandel – den wir uns lieber zunutze machen sollten, als uns gegen ihn zu sperren. Angefangen hat all das mit dem C64, der in Millionen Kinderzimmern eine Tür öffnete – den Zugang zur digitalen Welt.
Christian Stöcker, geboren 1973, studierte Psychologie in Würzburg und Bristol sowie Kulturkritik an der Bayerischen Theaterakademie München. 2005 wurde er Redakteur in den Ressorts Wissenschaft und Netzwelt bei SPIEGEL ONLINE, seit Februar 2011 ist er dort Ressortleiter Netzwelt. 2010 erhielt er den Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie.