“Der Meister” von Herbert Rosendorfer
Petra Bohm | Posted 21/10/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »Wenn Elke Heidenreich die Bücher für die “Edition Heidenreich” wirklich selbst auswählt, hat sie den gleichen Geschmack wie ich – diesmal eine pointenreiche Satire auf den Wissenschaftsbetrieb …
Als bekennender Fan von “Briefe in die chinesische Vergangenheit” und “Letzte Mahlzeiten” (unbedingt lesen, besonders die Briefe!) habe ich mir natürlich gleich den frisch erschienenen Roman von Herbert Rosendorfer unter den Nagel gerissen.
Wie in dem neuen Buch von Umberto Eco geht es auch hier um einen meisterhaften Fälscher. Beide Bände haben einen schicken Schutzumschlag aus fettem Pergamentpapier. Allerdings ist “der Meister” nicht nur viel schlanker (nur rund 150 Seiten), sondern trotz ausgefeilter Formulierungen und langer Schachtelsätze (die einen Teil des Sprachwitzes ausmachen), auch viel leichter zu lesen, viel lustiger (der Eco ist großartig, aber völlig pointenfrei) und spielt ein paar hundert Jahre später – genau genommen in der Gegenwart.
Nach 50 Jahren trifft sich der Ich-Erzähler mit einem ehemaligen Studienfreund in einem Restaurant in Venedig. Sie erinnern sich an ihr musikwissenschaftliches Studium: Da gab es den »göttlichen Giselher«, der alles über Musikinstrumente wusste, aber keines spielte, oder die schöne Helene Romberg, die allen den Kopf verdrehte. Aber vor allem sprechen sie über einen Kommilitonen, der wegen seiner Akribie »der Meister« genannt wurde. Um seinen kargen Lebensunterhalt aufzubessern, verfasste er Artikel für ein Musiklexikon – und erfand dabei so manchen Komponisten hinzu. Als jedoch die besonders eifrige Doktorandin Fräulein Bärlocher über einen dieser Musiker, Thremo Tofandor, zu forschen begann, geriet der Meister in Bedrängnis. Um nicht überführt zu werden, erfand er immer neue Details: den Wohnort, einen Briefwechsel Tofandors mit Hindemith – und komponierte am Ende sogar dessen Werke. Die Musikwissenschaft jubelte: Eine echte Entdeckung, dieser Thremo Tofandor. Reden und Aufsätze wurden geschrieben – und einer schrieb vom Anderen ab. Spätestens als ein Fachartikel über ihn erschien, gab es keinen Zweifel mehr: Thremo Tofandor existiert – und wird seinem Schöpfer am Ende zum Verhängnis.
Auch eine gefälschte Doktorarbeit spielt noch eine wichtige Rolle – das Thema kommt uns doch aktuell bekannt vor? Der Autor weiß übrigens, wovon er schreibt: Rosendorfer hat selbst komponiert und in die Musikwissenschaft reingeschnuppert.
Und auch mein Fazit gleicht dem von Elke Heidenreich: Lange nicht mehr so gelacht beim Lesen!
Für Rosendorfer-Fans gibt es hier ein ziemlich langes Video mit dem Autor von 2010.
Herbert Rosendorfer, geb. 1934 in Bozen, 1939 nach München umgezogen, studierte an der Akademie der Bildenden Künste, wechselte danach zum Jurastudium. Seit 1969 zahlreiche Romane und Erzählungen sowie Theaterstücke. Professor für Bayrische Literaturgeschichte an der Universität München. 2005 erhält er den Literaturpreis der Stadt München. 2010 wird ihm die Corine – Internationaler Buchpreis für sein Lebenswerk verliehen. Er lebt mit seiner Familie in Südtirol und ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Künste.