Humor mit Anspruch
Petra Bohm | Posted 04/10/2011 | Belletristik | Keine Kommentare »Ein in Deutschland bisher unbekannter englischer Autor schreibt einen Roman über einen gescheiterten Typen, der unbedingt Jude sein will und bekommt dafür den Booker-Preis. Klingt auf den ersten Blick nicht unbedingt komisch – ist aber ein höchst intelligentes, bisweilen tragisches und dabei witziges Lesevergnügen…
Eigentlich bräuchten wir euch zu “Die Finkler-Frage” nur eine Link-Sammlung aufzuzählen und ihr würdet auf ausschließlich positive Besprechungen in den Feuilletons stoßen, zuletzt gestern auf Spiegel-online – aber ich bringe es an dieser Stelle gerne auch selbst nochmals zu Papier: Wer sich auch nur im entferntesten für das Thema interessiert, was es heutzutage bedeutet Jude zu sein und damit leben kann, dass es auch ironisch betrachtet wird, der sollte “Die Finkler-Frage” ganz oben auf seinen Bücherstapel legen.
Hauptfigur Julian Treslove, 44, ist gar kein Jude, würde aber in seiner gescheiterten Existenz (Beruf, Beziehungen, Familie – alles ziemlich daneben gegangen) alles dafür geben, jedenfalls irgendeiner “Gruppe” anzugehören. Als er Opfer eines Überfalls wird, meint er zu hören mit “Du Jud” beschimpft zu werden, fühlt sich gleich als solcher und versucht von nun an jüdischer zu werden, als seine jüdischen Freunde. Diese – Sam(uel) Finkler, ein angesehener Philosoph mit Hassliebe zu Israel und Libor Sevcik, ein 90-Jähriger ehemaliger BBC Journalist – sind schwer irritiert, denn sie selbst stehen dem Judentum höchst skeptisch gegenüber. Und so geht es dann in den zahlreichen schlagfertigen Dialogen der Protagonisten sowohl um skurille innerjüdische Debatten (Steigert die Beschneidung die Lust beim Sex) als auch um den Holocaust und die ewige Debatte zum Thema Israel und die Palästinenser. Andererseits sind die Themen der rund 400 Seiten auch ganz allgemeingültig: Männerfreundschaft, die “große” Liebe, Sex (ja auch!), das Altwerden und der Tod.
Howard Jacobson, 1942 in Manchester geboren, hat bisher elf Romane und vier Sachbücher vorgelegt. Jacobson zählt zu den renommiertesten Autoren Großbritanniens, er hat schon viele literarische Ehrungen erhalten, und “Die Finkler-Frage” wurde 2010 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet, dem wichtigsten Literaturpreis der englischsprachigen Welt. Unmittelbar nach der Preisverleihung kommentierte der Korrespondent des “Guardian”, “The Finkler Question” sei der erste Roman in der zweiundvierzigjährigen Geschichte des Booker-Prize, der “ungeniert lustig” sei.
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Ende Oktober ist der Autor auch live zu sehen:
Göttingen / 23.10.
Wiehl (Nähe Köln) / 24.10.
Zürich / 25.10. / Kaufleuten
München / 26.10.
Berlin / 27.10.
Weitere Informationen sowie die Details der Lesereise gibt es hier