Können Sie strippen?

Petra Bohm | Posted 15/10/2011 | Humor, Politik/Wirtschaft, Sachbuch | Keine Kommentare »

Die Ex-Journalistin Ina Freiwald berichtet aus dem Alltag einer Jobvermittlerin und das ist nicht nur stellenweise erschreckend, sondern vor allen Dingen zum Brüllen komisch…

Darf man sich über Langzeitarbeitslose lustig machen? Wer diese Frage kategorisch verneint, der ist bei Ina Freiwald fehl am Platz. Die arbeitet seit 3 Jahren als Jobvermittlerin für eine “ARGE” und hat ebenso wie ihre Schützlinge einige Brüche in ihrem Lebenslauf zu bieten: Studium der Theaterwissenschaften, Arbeit als Journalistin für ein TV-Magazin und Tageszeitungen, 3fache Mutter, nebenher Dozentin und Coach. Und nun also das Arbeitsamt als Arbeitgeber.

Die Autorin bekommt einen Kurs für Langzeitarbeitslose zugewiesen, die sie in einem dreimonatigen Seminar für Bewerbung, Vorstellungsgespräche und Praktika fit machen soll, und geht die Sache zwar wohlwollend, aber zunächst auch naiv an. Denn die 11 Gestalten, die am ersten Kurstag nach und nach (natürlich nicht pünktlich) den Seminarraum betreten, erfüllen sämtliche Klischees, die sich der bisher nicht arbeitslose Bildungsbürger so vorstellt.

Da ist Hape. Der hat mit 25 Jahren drei abgebrochene Lehren hinter sich und nervt im Unterricht wie ein pubertierender Teenager mit dämlichen Witzen. Ex-Filialleiter Heiko Bloom musste kürzlich erst seinen Porsche verkaufen und hat verständlicherweise keine Lust, mehrere Wochen mit Teilnehmern zu verbringen, von denen 3 nicht einmal Deutsch verstehen, geschweige dann sprechen. Zirkuskind Nelly saß zwei Jahre wegen Drogendelikten ein, und futtert im Unterricht ununterbrochen. Adriano erscheint eine feste Stelle so abstrakt wie eine Besteigung des Mount Everest, schließlich leben Vater und Großvater seit Jahren von der ARGE. Und dann sind da noch die etwas anstrengende Ulla Schubert, mit 51 Jahren zu alt fürs deutsche Arbeitsleben, und der fusselhaarige Björn, der sich mit Tollpatschigkeit und Tobsuchtsanfällen vor jeder Job-Chance drückt. Alle wurden von ihrer ARGE-Fallmanagerin dazu verdonnert, an diesem Seminar teilzunehmen – den Motivationsgrad kann man sich locker vorstellen.

Die Beschreibungen dieser Typen sind so unfassbar lustig und pointiert, dass man sich fragt: Hat Frau Freiwald all das, was Sie in Ihrem Buch schildert, tatsächlich so erlebt? Gibt es diese „Typen“ wirklich?

Im Verlagsinterview antwortet die Autorin:
“Tatsächlich sind die beschriebenen Figuren von realen Personen inspiriert, sonst hätte ich sie nicht so plastisch beschreiben können. Wegen der Persönlichkeitsrechte wird sich aufgrund von Verfremdungselementen jedoch kein ehemaliger Teilnehmer oder Kollege wiedererkennen. Viele Situationen habe ich erlebt, einige auch meine Kollegen. Manche Szenen sind eins zu eins dargestellt, manche aus realen Vorbildern konstruiert.”

Aber auch die Jobvermittler und ihre Dienstleister bekommen von der spitzzüngigen Journalistin ihr Fett weg. Entstanden ist ein 250seitiger Blick hinter die Kulissen, der nicht nur allerbestens unterhält, sondern auch einige AHA-Effekte bei mit ausgelöst hat.

Achso – und etwas für den Alltag habe ich von Ina Freiwald auch gelernt, ganz allgemein, um einen Menschen einzuschätzen: Die “Dackelfrage”. :

Die „Dackel-Frage“ ist dagegen mein ganz persönlicher Test-Quickie, wie ich neue Teilnehmer bezüglich ihrer Eloquenz und Verlässlichkeit einzuschätzen habe. Würde ich jemandem meinen Hund zwei Wochen überlassen oder nicht? Mein Urteil über die Vertrauenswürdigkeit der Bewerber deckt sich oft mit der Einschätzung möglicher Arbeitgeber.”

Mein Rat: Unbedingt einen Blick in die Leseprobe werfen!

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Titel:
Können Sie strippen?: Aus dem Alltag einer Jobvermittlerin

ISBN-13:
9783570501351

Autor:
Ina Freiwald

Verlag:
Riemann Verlag

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