WIR HABEN KEINE ANGST
Kristina Tschesch | Posted 07/11/2011 | Sachbuch | Keine Kommentare »…oh doch, die haben wir. Und wie. Denn wie das hervorgehobene Wort „keine“ auf dem Cover des Buches von Nina Pauer schon suggeriert, ist der Titel höchst ironisch gemeint…
Dieses Buch ist ein (äußerst gelungener) Versuch, die Generation der heute „Um-die-30-Jährigen“ zu beschreiben – oder besser, sie zu therapieren. Denn eine Therapie scheint dringend nötig. Tschernobyl, BSE, Jahrtausendwende: Das Leben hat schon so manchen Angstmacher für uns bereit gehalten. Doch die Horrorszenarien sind nicht wirklich bis in unseren kleinen, behüteten Kosmos vorgedrungen. Die Katastrophen blieben aus. Das, wovor wir Angst haben, ist darum weniger global. Es sitzt tief in uns drin. So beschreibt Nina Pauer die Lage und sie trifft den Nagel auf den Kopf. Stellvertretend für eine ganze Generation lernen wir in ihrem Buch Anna und Bastian kennen. Beide das komplette Gegenteil voneinander und uns doch beide in Teilen sehr ähnlich.
Unweigerlich identifiziert man sich als „Leser um die 30“ mal mehr mit Anna, mal mehr mit Bastian. Die eine klettert auf der Karriereleiter rasant nach oben, steht aber kurz vor dem Burnout. Der andere ist ein typischer Langzeitstudent mit vielen kreativen Ideen, der auf Familienfeiern immer wieder erklären muss, was er denn nun vorhat mit seinem Leben. Beide haben nur phasenweise Glück in der Liebe, verstehen sich prima mit ihren Eltern und sind politisch nicht sonderlich aktiv. Wohin die Reise gehen soll, das wissen sie partout nicht. Für vieles fühlen sie sich schon zu alt, für anderes noch viel zu jung. Und diese Unsicherheit macht Angst. Und wie.
Aber: Die Erkenntnis des Problems ist der erste Schritt in die richtige Richtung und somit sollte Nina Pauers unterhaltsames, geistreiches und zugleich witziges Buch so eine Art Standardwerk für alle zwischen 1975 und 1985 Geborenen werden. Denn am Ende bleibt die Erkenntnis: Ich bin nicht allein. Und im Kollektiv lässt sich die Angst ein wenig besser ertragen.
Nina Pauer, Jahrgang 1982, ist freie Autorin. Sie studierte Geschichte, Soziologie und Journalistik an der Universität Hamburg und der Université Michel Montaigne in Bordeaux. Während ihres Studiums hat sie am Hamburger Institut für Sozialforschung in den Arbeitsbereichen Nation und Gesellschaft und Die Gesellschaft der Bundesrepublik gearbeitet. Sie schreibt vor allem für das Feuilleton der ZEIT und das ZEITmagazin.