Zauberei dabei?
Petra Bohm | Posted 21/11/2011 | Belletristik, Fantasy | Keine Kommentare »Das letzte Mal, dass ich etwas über Hexen gelesen habe, war schätzungsweise in der Grundschule “Die kleine Hexe” von Otfried Preussler. Doch dieser Buchtitel hat mich merkwürdig in seinen Bann gezogen und gezwungen, “nur mal eben” reinzulesen – und HEXHEX – ich war begeistert…
Das ist mal endlich erwachsene Vampirkost für Leserinnen wie mich, die sich bisher erfolgreich literarischen Seelenwanderungen und bissigen Liebesschwüren verweigert haben. Da geht es ausnahmsweise nicht um liebesblöde Teenager, sondern um Menschen mit Schulabschluss, beziehungsweise auch um Nichtmenschen = Wesen.
Die Weltbevölkerung teilt die Autorin nämlich in 4 Arten von “Wesen” auf: Menschen, Hexen, Dämone und Vampire. Die letzen drei Sorten dezimieren sich seit Jahrhunderten und wir Menschen haben einfach zu schlechte Sinne um sie um uns herum wahrzunehmen, wenn wir nicht gerade Stephenie Meyer verfallen sind. Diese Theorie wird höchst originell wissenschaftlich erläutert, bis hin zu wortgewaltigen authentisch klingenden DNA-Analysen, die wahrscheinlich bei promovierten Genspezialisten zu Lachsalven, aber bei Normalo-lesern für eine Grundstimmung sorgen, die mich in einen vermeintlich real wirkenden Plot gezaubert hat. Nach dem ersten Leseabend habe ich doch tatsächlich von einem gut aussehenden schlanken, großen und kaum 700 Jahre alten Vampir geträumt… tzzz…
Aber zur Sache: Protagonistin und Ich-Erzählerin Diana Bishop ist Historikerin mit Leib und Seele. Zur Zeit ist sie in der Bodleian-Bibliothek in Oxford mit Recherche beschäftigt. Sie ist die letzte Vertreterin eines berühmten Hexengeschlechts, doch sie meidet im täglichen Leben die Magie, da ihre Eltern wegen dieser ums Leben kamen, als Diana noch ein Kind war. Aber das zauberfreie Leben gelingt ihr insgesamt nur mäßig. Neben kleinen alltäglichen Hexereien (immerhin sieht jede Leserin ein, dass es praktischer ist, die kaputte Waschmaschine “gesund” zu zaubern, als drei Tage auf den Kundendienst zu warten), brodeln in der jungen Professorin allerhand unterdrückte magische Kräfte, die sich nicht nur in unfrisierbaren Haaren (bin ich auch eine Hexe?), sondern auch in gelegentlichem unkontrollierten Leuchten oder Absonderung von Gerüchen äußern.
Diana sucht also nicht nach Hexenbüchern, sondern nach historischen Werken und stößt dabei auf ein altes Manuskript namens “Ashmole 782″. Das konnte bisher niemand lesen, weil es sich nicht öffnen ließ und außerdem zeitweise von der Bildfläche verschwand. Besonders die Dämonen (man muss sich da Hochbegabte aller Genres vorstellen) und auch die Vampire vermuten aber in diesem Werk den Schlüssel zur Wahrheit über ihre Herkunft. Als sich nun herausstellt, dass Diana das magische Buch sehr wohl öffnen konnte, wimmelt es in ihrer Umgebung plötzlich von Dämonen und Vampiren, um ihr das geheime Wissen zu entlocken – wenn nötig mit Gewalt. Dabei hat Diana wegen ihres Schwures “nur” eine normale Forscherin zu sein, die geheimen Seiten der Schrift überhaupt nicht entschlüsselt. Dumm nur, dass das niemand weiss. Sie gerät in ernste Gefahr.
Hilfe erfährt Diana ausgerechnet von Matthew Clairmont, Naturwissenschaftler und – ihr ahnt es schon: 1500 Jahre alter Vampir mit dem Äußeren eines bestaussehenden Mittdreißigers und dabei ein wahrer Gentleman, witzig, intelligent, gefühlvoll – was will Frau mehr. Von dem würde man sich doch gerne mal beißen lassen. Dabei ist es genau das, was der Gute möglichst vermeiden will. Aber kann er das? Und dürfen Diana und Matthew Gefühle für einander entwickeln?
An dieser Stelle könnte die Handlung gut und gerne stecken bleiben – tut sie aber nicht, denn es wird auch noch richtig spannend!
Fantasy, die sich auf angenehme Weise selbst nicht allzu ernst nimmt, Liebesflirren zwischen den Seiten, humorvolle Dialoge und Spannung: Wenn es jetzt draußen so richtig grau und “usselig” wird, ist „Die Seelen der Nacht“ genau der richtige Schmöker, um es sich mit einem Glas Wein gemütlich zu machen – und die 800 dicht bedruckten Seiten reichen garantiert für mehr als ein Wochenende.
Einziger Nachteil: Der quietschgrüne Leineneinband mit dem pinken Lesebändchen ist viel zu hübsch und der Band definitiv zu großformatig und gewichtig für U-Bahn oder Badewanne.
„Deborah Harkness‘ Debüt ist ein großartiger Vampir-Roman, der mit seinen intellektuellen Charme auch jene bislang nicht von Vampiren begeisterte Leser überzeugen wird. (…) Wechselnde Perspektiven machen den Erzählfluss spannend, die unterschiedlichen Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und die ganze Handlung wirkt realistisch, abwechslungsreich und nie langweilig.“ (Love Letter Magazin )
„Die Seelen der Nacht“ ist der erste Roman von Autorin Deborah Harkness und der erste Band einer Trilogie, deren zweiter Teil bereits in Arbeit ist. Was man der Lektüre unbedingt anmerkt: Wie ihre Protagonistin hat Harkness bereits einige wissenschaftliche Arbeiten zur Wissenschaftsgeschichte und zu europäischer Geschichte veröffentlicht.