Sommerhaus mit Swimmingpool

Petra Bohm | Posted 18/01/2012 | Belletristik, Krimi | Keine Kommentare »

Mit dem Hausarzt Marc Schlosser hat Bestsellerautor Herman Koch (“angerichtet”) so ziemlich den unsympathischsten Protagonisten geschaffen, der mir in letzter Zeit unter die Lesebrille geraten ist – UND ihm ist das großartige Kunststück gelungen, dass man mit diesem Unsympath bis zur allerletzten Zeile mitfiebert…

Ein Krimi ist das Buch eigentlich nicht. Oder andererseits doch. Oder eher ein Familiendrama – andererseits auch ein wirklich bösartig amüsanter Roman. In jedem Falle aber eine absolute Leseempfehlung.

Hausarzt und Berufszyniker Marc Schlosser ist alles andere als der fürsorgliche Doktor, der sich für jeden seiner teils prominenten Patienten besonders viel Zeit nimmt, und der er vordergründig zu sein scheint. Hinter dieser Maske verbergen sich höchst skurrile und böse Gedankengänge – die teilweise eben auch erschreckend normal sind. Nach dem Tod seines Patienten, dem Schauspieler Ralph Meier, an dem er nicht ganz unschuldig zu sein scheint, erzählt Marc die Geschichte in einem Rückblick in den er etwa ein Jahr zuvor einsteigt.

Vordergründig weil beide Familien zusammenpassen, in Wirklichkeit aber, weil Marc geil auf Meiers Frau Judith ist, verbringt man gemeinsame Tage in einem “Sommerhaus mit Swimmingpool” an der französischen Küste. “Man” das sind Marc und seine Frau, samt zwei Töchtern – die eine frühpubertär, die andere noch ein Kind. Dazu Schauspieler Ralph und besagte Judith mit deren Söhnen und dazu ein befreundetes Pärchen, das dem Klischee reicher alter Sack + junges blondes Model entspricht.

Zunächst ein entspannter Urlaub – tobende Kinder, Rotwein saufende Eltern. Zwischen den Paaren flirrt Erotik in der Luft, aber ohne Ehedramen. Bis zu dem Tag, an dem Marcs ältere Tochter Julia bei einer nächtlichen Strandparty ohne Erinnerung, jedoch offensichtlich vergewaltigt aufgefunden wird. Ihr Vater und mit ihm der Leser wird zum Detektiv und ist schnell bereit, den Täter einer “gerechten” Strafe zuzuführen, doch kurz bevor alles klar scheint, nimmt die Handlung eine unvorhersehbare Wendung nach der anderen…

Und warum soll ich hier jetzt lange alles neu erfinden, wenn Christine Westermann schon genau das geschrieben hat, was ich euch auch sagen möchte:

Was für ein Buch! Früh am Abend habe ich es angefangen, erst mitten in der Nacht beiseite gelegt. Morgens nach dem Aufstehen habe ich nicht die Zeitung genommen, sondern diesen Roman zu Ende gelesen. Er ist hochspannend und dennoch kein Krimi. Er beschreibt ein Familiendrama, in dem sexuelle Macht und Vaterinstinkte eine große Rolle spielen. Die Handlung ist genial konstruiert, immer nachvollziehbar und dennoch mit überraschenden Wendungen. Bei aller Dramatik sehr komisch, manchmal hält man inne, weil man glaubt, nicht richtig gelesen zu haben. An ein paar Stellen habe ich laut gelacht, oft still in mich hinein gekichert. Ein Arzt, der eine krankhafte Sicht auf die Dinge des Lebens hat, böse und zynisch ist. Einer, der einem Angst machen könnte. Dennoch gibt man sich beim Lesen alle Mühe, ihn sympathisch zu finden. Man bleibt an seiner Seite, denn die Gefühle, die er beschreibt, sind absolut nachvollziehbar. Alle. Die Guten wie die Schlechten. Und damit kriegt man eben auch ein bisschen Angst vor sich selbst. Alles endet ganz logisch, nichts bleibt offen. Und doch schreibt dieser Hermann Koch so, dass man ihm nicht traut. Auf der vorletzten Seite gibt es eine Stelle, an der ich dachte, jetzt kippt alles noch mal. Es sind nur ein paar Zeilen. Ich habe sie mindestens fünfmal gelesen, weil ich dachte, ich hätte etwas überlesen. Habe Freunde gefragt,die das Buch schon kannten. Auch sie sind an dieser Stelle hängengeblieben. Aber genau das ist Einzigartige an diesem Buch. Es fängt erst richtig an zu wirken, wenn man schon fertig damit ist.”
Christine Westermann bei Frau TV

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Titel:
Sommerhaus mit Swimmingpool

ISBN-13:
3462043447

Autor:
Herman Koch

Verlag:
Kiepenheuer & Witsch

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