Herr G.: Ein Roman der Schöpfung

Petra Bohm | Posted 27/02/2012 | Belletristik, Philosophie und Religion, Sachbuch | Keine Kommentare »

Diesmal war es der neue “Roman” von Alan Lightman, der mir ein ziemlich geniales Lesewochenende beschert hat. Auch, oder gerade weil die Bezeichnung “Roman” nicht unbedingt treffend ist, denn eigentlich handelt es sich um die fesselnde Biografie des Herrn G., wenn auch eine fiktive…

Dennoch bin ich nach diesem Buch überzeugt: genau so könnte es gewesen sein oder ist es auch heute noch. Ganz klein fühlt man sich nach der Lektüre. Ein geschickter Schachzug des (übrigens atheistischen) Autors: er lässt seine Leser teilhaben an den Erlebnissen des Ich-Erzählers Herrn G. und damit schlüpft man völlig unbemerkt in eine neue, große Perspektive.

Seit einer ungewissen Zeit hat Herr G. im endlosen NICHTS vor sich hin gechillt. Mehr oder weniger in einem Dämmerzustand, denn in diesem NICHTS gibt es eben: Nichts. ER, sein Onkel Deva und Tante Penelope haben mal geschlafen, mal sind sie ein Weilchen im NICHTS spazieren gegangen, mal traf man sich. Da es keinen Raum und keine Zeit im NICHTS gab, gab es auch kein Vorher und kein Nachher, alles fand irgendwie gleichzeitig statt, und so war es egal. Mit Beginn der Erzählung ändert sich das durch eine Laune von IHM: »Ich war gerade von einem Mittagsschlaf erwacht, da beschloss ich, das Universum zu erschaffen.« Da Herr G. zwar allmächtig ist, aber keinesfalls allwissend, geht das am Anfang gründlich schief, bis er sich auf ein Universum (Aalam-104729) konzentriert. Unseres? Man weiss es bis zum Schluss nicht, aber erhofft sich so einen intelligenten, rationalen und gleichzeitig gütigen Schöpfer.

Der legt erst einmal ein paar grundlegende physikalische Gesetze (einschließlich der Relativitätstheorie und der Kausalität) für Raum und Zeit fest und lässt danach den Dingen in seinem kleinen Universum (im NICHTS kaum größer als ein Gymnastikball) mehr oder minder ihren Lauf, fungiert zusammen mit dem Leser oft mehr als Beobachter, denn als Handelnder. Durch den Zwang und die Logik der Naturgesetze “geschieht” dann aber doch alles dicht an der Schöpfungsgeschichte, wobei ER bei seinen höchst sporadischen Besuchen im Universum verwundert feststellt, dass die Dinge, die ER plante, und über deren Vor- und Nachteile er noch nachdachte (z.B. die Erschaffung intelligenten Lebens), sich von ganz alleine entwickeln. Und natürlich philosophiert ER, stellt wie nebenher logische Zusammenhänge zwischen Naturwissenschaft und Religion her. Denkanstöße liefert dabei neben Onkel Neva (ist für ein Leben nach dem Tod) und der zickigen aber lebensklugen Tante Penelope auch der etwas mysteriöse, aber nicht unbedingt teuflische Widersacher Belhor.

Lightman bietet eine angenehme Mischung aus Wissenschaft und Philosophie, er übernimmt geschickt und ohne Herablassung die Schöpfungsgeschichte – Deva, Penelope und Belhor fungieren als Sparringspartner für SEINE existentiellen Grübeleien. Lightman vermittelt große Themen mit einem leichten, bisweilen sogar komischen Ton, lässt dabei allen Gläubigen Raum, erweckt aber auch in bekennenden Atheisten Sinn für das Wunderbare unserer Existenz.

Dieses Buch bereitet nicht nur erwachsenen Lesern – gleich welcher Religion oder Nichtreligion – Lesevergnügen, die zahlreichen Denkanstöße in Kombination mit dem lockeren Tonfall bieten sich sicherlich auch an, die Geschichte von Herrn G. an Jugendliche weiterzureichen oder im Schulunterricht als Diskussionsgrundlage zu verwenden.

In jedem Fall empfehlenswert!

Alan Lightman, geboren 1948, von Haus aus Astrophysiker, ist Professor der Humanwissenschaften am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Obendrein unterrichtete er kreatives Schreiben. Sein Roman »Und immer wieder die Zeit. Einstein’s Dreams« wurde in 30 Sprachen übersetzt und war ein internationaler Bestseller. Daneben hat er die Romane »Der gute Benito« und »Die Diagnose« und zahlreiche wissenschaftliche Werke verfasst. Außerdem schreibt er im »New Yorker« und in »Nature«. Alan Lightman lebt mit seiner Familie in der Nähe von Boston.

Share and Enjoy:
  • Print
  • Digg
  • Sphinn
  • del.icio.us
  • Yahoo! Bookmarks
  • Facebook
  • Mixx
  • Google Bookmarks
  • Blogplay
  • LinkedIn
  • StumbleUpon
  • Twitter
  • RSS

Titel:
Herr G.: Ein Roman der Schöpfung

ISBN-13:
9783869950280

Autor:
Alan Lightman

Verlag:
Bastei Lübbe (Quadriga)

Kommentar verfassen

Connect with Facebook

Buch kaufen

Leseprobe