Mr. Chartwell

Petra Bohm | Posted 20/03/2012 | Belletristik | Keine Kommentare »

Ein höchst unsympathischer sprechender Hund, eine einsame Bibliothekarin und Winston Churchill in einem Buch… Klingt absurd? Der englischen Autorin Rebecca Hunt ist es gelungen, diese Hauptdarsteller in ihrem hinreißenden Debütroman zu einem höchst skurrilen, humorvollen aber dennoch tiefgründigen Plot zu verweben. Eine Entdeckung!

London 1964. Die Bibliothekarin Esther Hammerhans ist noch dabei den Tod ihres Mannes zu verwinden und sucht per Annonce einen Untermieter für ein Zimmer in ihrem Haus. Es gibt einen einzigen Interessenten, der sich am Besichtigungstermin als riesiger, sprechender, aufrecht gehender Hund entpuppt. Obwohl dieser ihr keinesfalls sympathisch ist, überzeugt sie schließlich sein Mietangebot in Höhe ihres Jahresgehalts. Doch Mr. Chartwell (so sein Name) wird mit der Zeit immer unverschämter und Raum einnehmender. Er steht für die sich anbahnende Depression der einsamen, jungen Witwe. Und nach längerem Zögern verrät Mr. Chartwell Esther auch, welchen Beruf er ausübt und welchen Kunden er im Moment betreut: Fast täglich besucht er Winston Churchill – quasi als personifizierte Depression.

Winston Churchill ist 1964 am Ende seiner politischen Laufbahn angelangt und muss schweren Herzens sein Parlamentsbüro räumen. Er wird schon seit Jahrzehnten von Depressionen geplagt und hat seiner Krankheit den Namen “black dog” gegeben. Zur Niederschrift seiner Abschiedsrede wird ihm eben jene Esther Hammerhans zugeteilt – Churchill versteht bei dem anberaumten Arbeitstreffen sofort, was die beiden verbindet…

So nähert sich Rebecca Hunt auf diese sehr spezielle Weise der Volkskrankheit “Depression” und zeichnet dabei ein gut recherchiertes Portrait Winston Churchills. Es entspinnt sich eine originelle Geschichte mit viel Gefühl, aber auch geistreichem Witz. Und ja – der berühmte erste (Ab)Satz – der hat es sprachlich doch schon in sich:

“Winston Leonard Spencer Churchills Lippen waren gekräuselt, als hätte er eine Zitronenscheibe im Mund. Mit seinen neunundachtzig Jahren wurde er häufig früh wach. Im Spalt zwischen den Vorhängen zog das Morgengrauen auf und sammelte die Kräfte zur Invasion. Churchill begegnete dem anrückenden Tag, indem er in Gedanken prüfend die Finger danach ausstreckte und ihm dann die geballte Faust hinhielt: Er war bereit.”

Rebecca Hunt wurde 1979 in Coventry geboren und hat am Central Saint Martin’s College, einer bekannten Londoner Hochschule für Kunst und Design, Kunst studiert und mit Auszeichnung abgeschlossen. Rebecca Hunt ist Malerin und lebt in London. „Mr. Chartwell“ ist ihr erster Roman, der für die Longlist des Guardian First Book Award und die Shortlist des Newcomer of the Year/Galaxy National Book Awards nominiert wurde.

Auf der Verlagsseite findet man ein Interview mit der Autorin

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Titel:
Mr. Chartwell: Roman

ISBN-13:
9783630873473

Autor:
Rebecca Hunt

Verlag:
Luchterhand Literaturverlag

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