Sterblich verliebt
admin | Posted 18/03/2012 | Belletristik | Keine Kommentare »Mit „Die sterblich Verliebten“ hat der preisgekrönte Schriftsteller Javier Marías „das beste Buch des Jahres 2011“ geschrieben. Das befand zumindest die spanische Zeitung El País und setzte damit ein Ausrufezeichen hinter die überschwänglichen Lobeshymnen aus dem spanischen Blätterwald…
Die Kritiker begeisterte das neue Werk des Madrilenen vor allem deshalb, weil er es meisterhaft schafft, die Liebe und die Vergänglichkeit in einen Thriller zu packen, der den Leser mit unerwarteten Wendungen zu überraschen versteht.
María, eine Verlagsmitarbeiterin in Madrid, hat die Angewohnheit jeden Morgen vor der Arbeit ein bestimmtes Café in Madrid zu besuchen. Dort trinkt sie ihren Kaffee, aber vor allem beobachtet sie dort täglich ein Paar, das einen herzlichen und liebevollen Umgang miteinander pflegt. All die Morgen im Café ist María die stille, anonyme Beobachterin und genießt die Szene mit den beiden Verliebten. Doch eines Tages taucht das Paar nicht mehr auf.
Einige Zeit vergeht bis María wieder auf die Spur der Beiden trifft. Eine Bekannte erzählt ihr von einem fürchterlichen Mord auf einem Parkplatz. Das Opfer, so steht es in der Zeitung, ist der bekannte Filmproduzent Miguel Deverne. Es ist der Mann aus dem Café.
Wieder verstreichen einige Tage, doch dann taucht die unbekannte Frau überraschend in dem Café auf. In diesem Moment überwindet María die Barriere der Anonymität und spricht die Frau an. Sie verabreden und treffen sich später bei Luisa, so der Name der Witwe, zuhause. Luisa, gebrochen vor Trauer um ihren Mann, klagt María ihr Leid, ohne das ein echtes Gespräch zustande kommt. Schon im Aufbruch begriffen, trifft sie auf Javier Díaz-Varela, den besten Freund des Ermordeten. Er besucht Luisa regelmäßig und kümmert sich um die Trauernde.
Monate später begegnen sich María und Javier zufällig wieder und fangen eine Beziehung an. Obwohl sie nicht mehr als mit körperlicher Hingabe rechnen kann, denn Javier ist in Luisa verliebt, hält sie an den Treffen mit ihm fest. Bei einer dieser Verabredungen bei Javier zuhause, bekommt dieser Besuch. María wird Zeuge eines Gespräches, welches zunächst eindeutig scheint: Miguel ist Opfer eines Auftragsmordes geworden. Sie verlässt die Wohnung und bricht den Kontakt mit Javier ab.
Doch Díaz-Varela weiß, dass María das Gespräch belauscht hat. Wenige Wochen später erhält sie einen Anruf von ihm. Er bittet sie um ein Treffen. Zögernd stimmt sie dem zu und begibt sich zu seiner Wohnung. Anstatt sie zum Schweigen zu bringen, erzählt Javier die Geschichte aus seiner Sicht.
Er bestreitet nicht, in den Mord verwickelt zu sein, doch scheint das Motiv nicht das zu sein, das so nahe liegt. So seien keinesfalls Eifersucht oder Liebeskummer der Antrieb für das brutale Verbrechen, beschwört er María. Javier stellt ihr frei, wie sie mit dem neu erlangten Wissen verfährt. Ob sie zur Polizei geht oder nicht, das obliegt nun allein ihr.
Nicht nur María kommt jetzt ins Grübeln. Auch der Leser wird scheinbar Eindeutiges hinterfragen und vermeintliche Gewissheiten überprüfen müssen.
Auf die Frage einer spanischen Zeitung, ob das Buch somit nicht mehr Fragen offen lässt, als Antworten parat zu halten, antwortet der Autor, dass gerade so die Unmöglichkeit alles mit absoluter Gewissheit sagen zu können, deutlich wird. Sogar bei den Dingen die uns persönlich angehen, sei es unmöglich alles zu wissen, so Marías.
Der philosophische Ansatz des Autors, seine teilweise sehr langen Ausschweifungen in die literarische Welt und seine oft seitenlang monologisierenden Protagonisten erfordern auf der anderen Seite jedoch volle Konzentration. Marías macht es seinen des Lesern nicht leicht. Ein anspruchsvoller Roman und sicher keine leichte Kost. Doch die Abstecher in die Werke von Alexandre Dumas und Honoré de Balzac sollten den Leser keinesfalls abschrecken.
Festzuhalten bleibt, dass es Javier Marías in „Die unsterblich Verliebten“ auf über 400 Seiten schafft große Spannung aufzubauen, die Neugierde des Lesers mit unerwarteten Richtungswechseln zu steigern und ihn schließlich mit einem unerwarteten Ende zu überraschen.
Text: HvC