André Heller: Feuerkopf
admin | Posted 06/04/2012 | Biografien, Sachbuch | Keine Kommentare »
Hmmm. André Heller. Kennt man. Circus Roncalli. Feuertheater. Fußball-WM. Afrika Afrika. Ein Tausendsassa und Querkopf. Nun seine Biografie. Muss man die lesen? Natürlich nicht – aber man kann! Mit Vergnügen sogar, denn Christian Seiler hat mit Hellers Biografie ein buntes Kaleidoskop zeitgenössischer Kulturgeschichte geschaffen – lesenswert auch für Nichtfans…
Anlässlich von Hellers 65. Geburtstag zeichnet Autor Christian Seiler, der den Künstler seit fast zwei Jahrzehnten kennt, die Stationen dessen außergewöhnlichen Lebens nach. Er porträtiert den vielfältigen Menschen hinter der öffentlichen Figur André Heller, dokumentiert seine wichtigsten Einflüsse und die Wandlung vom ehemaligen Bürgerschreck zum gelassenen Verwirklicher der eigenen Ideen.
Die einzelnen Kapitel sind prinzipiell chronologisch angeordnet, beschäftigen sich aber jeweils mit einzelnen Projekten des österreichischen “Feuerkopfs”, die man schon im übersichtlichen Inhaltsverzeichnis findet, so dass der Leser durchaus auch “springen” kann. Interessant und berührend auch die ersten Kapitel über Hellers schwierige Kindheit unter einem übermächtigen Vater, dessen frühen Tod er als große Erleichterung empfand.
“Der Tod meines Vaters war für mich der Beweis, dass sich die Dinge für mich regeln”, sagt André Heller.” Ich wäre damals gar nicht auf die Idee gekommen, dass er aus einem anderen Grund gestorben sein könnte, als dass ich meine Ruhe von ihm habe. Er ist gestorben, weil ich das gebraucht habe.”
Auch Seilers “Schreibe” macht die Biografie zu einem Lesevergnügen:
Als André Heller empfangen wurde, bebte die Erde. Eines der Nachbeben des großen Erdbebens von Sierre-Ayent, das Ende Mai 1946 den Kanton Wallis schwer in Mitleidenschaft gezogen hatte, brachte auch ein Doppelbett im Grand Hotel von Montreux zum Zittern, in dem sich der gerade aus dem Londoner Exil zurückgekehrte Verbindungsoffizier der französischen Armee, Stephan Heller, mit seiner Gattin Elisabeth spätnachmittags auf die Ausübung der ehelichen Pflichten besann. »Interessant, dass mein Vater ein Erdbeben brauchte, um einen Orgasmus zu haben«, sagt Heller, dem der Gedanke freilich zu gefallen scheint: Wer würde die eigene Entstehung nicht gern als Naturereignis betrachten?
Mit über 400 Seiten, vielen Fotos, Lesebändchen und einem aufwändig gestalteten Einband ist das Buch sicherlich auch ein schönes Geschenk für Fans und alle, die es nach dem Lesen sein werden.
Christian Seiler war Kulturjournalist bei der »Weltwoche«, leitete das österreichische Nachrichtenmagazin »profil« und die Schweizer Kulturzeitschrift »du«. Er ist Autor zahlreicher Bücher.