Wahn oder “nur” Fantasie?

Petra Bohm | Posted 23/04/2012 | Belletristik | Keine Kommentare »

Vor etwa einem Jahr haben wir John Burnsides autobiografischen Roman “Lügen über meinen Vater” vorgestellt – und waren begeistert. Hoch war somit die Spannung, welchem Thema er sich “In hellen Sommernächten” angenommen hat und soviel vorab: dieser Roman ist ganz anders und genauso lesenswert…

Erstmals wagt sich der viel gelobte Autor mit seinem Plot aus dem heimischen Schottland nach Norwegen, wo er sich – wie er im Verlagsinterview verrät – heimischer fühlt, als auf der britischen Insel. Besonders fasziniert haben ihn dort die titelgebenden Sommernächte: “Als ich das erste Mal den nördlichen Polarkreis besuchte, war ich schockiert, wie befreiend diese hellen Sommernächte waren. Es war, als würde man ein sehr reines, vielleicht pharmazeutisches Halluzinogen einnehmen – subtil, aber unheimlich wirkungsvoll.(…) Ich sah alles so klar – und wenn man sich einmal an dieses Licht gewöhnt hat, lernt man, die unendliche Vielfalt der Schatten zu schätzen.”

Und so ist auch dieser Roman ein Spiel aus Licht und Schatten, das in eine Welt entführt, in dem sich Gewissheiten auflösen, wo auch der Leser bald zweifelt: was ist Wahn oder “nur” Fantasie.

Die Extreme des nächtlichen Lichts im Sommer und der ewigen Dunkelheit im Winter haben auch die Ich-Erzählerin Liv geprägt. Sie berichtet mit großer Ernsthaftigkeit was geschehen ist. Doch nach und nach stellt sich heraus, das nichts ist, wie es zunächst scheint und vor allen Dingen nicht so, wie es Liv schildert. Mehr und mehr zweifelt man an ihren Beschreibungen, andererseits ziehen diese den Leser ungewollt mit in ihren Strudel aus Wahn(?) und Wirklichkeit. Und gerade diese subtile Spannung gepaart mit poetischen Naturbeschreibungen machen den Zauber dieses Buches aus.

Darum geht’s:
Als ein Klassenkamerad der jungen Liv und dessen Bruder ertrinken und kurz danach zwei weitere Männer verschwinden, scheint das die wenigen Bewohner der Insel am Polarkreis nicht zu beunruhigen. Hat, wie es eine Sage behauptet, die rotgewandete Huldra ihre Hand im Spiel? Gibt es die männermordende Waldfee wirklich? Und welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die schöne Maia, die mit den verschwundenen Männern gesehen wurde? Und vor allen Dingen: gelingt der stillen Liv die Lösung des Rätsels oder verliert sie sich in einer Zwischenwelt aus Fantasie und Realität? Sie selbst ist jedenfalls überzeugt, nicht verrückt zu sein…

John Burnside, geboren 1955 in Schottland, ist einer der profiliertesten Autoren der britischen Gegenwartsliteratur. Der Lyriker und Romancier wurde vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erschien im Knaus Verlag sein autobiographischer Roman „Lügen über meinen Vater“, für den er den Corine-Belletristikpreis des ZEIT-Verlags erhielt.

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Titel:
In hellen Sommernächten: Roman

ISBN-13:
9783813504606

Autor:
John Burnside

Verlag:
Albrecht Knaus Verlag

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