Willkommen auf Skios
Petra Bohm | Posted 01/08/2012 | Die Redaktion empfiehlt | Keine Kommentare »Hilfe. Ein Glas Wasser. Bitte. Jetzt. Dieser Slapstickroman hat ein Tempo, dass nicht nur die Protagonisten, sondern auch die Leser am Ende förmlich japsen. Ein geniales Lesevergnügen für Sprachverliebte und alle, die mit Niveau unterhalten werden wollen…
Ja, es ist eine Verwechslungsgeschichte. Ja, es ist ein Sommerroman. Aber nein – irgendwie trifft es das beides nicht so richtig. Denn statt einer der typischen romantischen Sommerkomödien (Sie wissen schon: die, wo sie den verlobten Karrieremann für den Klempner sausen lässt, als sie nach einer fremdgegangen Nacht mit einem schönen Wüstling den Slip aus dem Klo fischen muss – oder so ähnlich jedenfalls) bekommt man einen skurrilen Lesespass, der einen drehbuchartig durch 48 Stunden hetzt.
Am besten: alles absagen und lesen, lesen, lesen. Schnell!
Dieses Szenario bietet den Rahmen für schräge Charaktere, wunderbare Dialoge und immer absurder werdende Entwicklungen:
Auf der griechischen Insel Skios bereiten sich die Gäste einer amerikanischen Stiftung auf die Ankunft des diesjährigen Gastredners vor. Dr. Norman Wilfred, Autorität auf dem Gebiet der Szientometrie. Dieser erweist sich als erstaunlich jung und gutaussehend und ist alles andere als ein verknöcherter Gelehrter. Kein Wunder, ist er doch Oliver Fox, ein charmanter Hochstapler, der von Nikki, der attraktiven Assistentin der Stiftung, bei der Ankunft auf dem Flughafen unfreiwillig verwechselt wurde. Auf einem anderen Teil der Insel trifft Nikkis leichtsinnige Freundin Georgie statt auf den erwarteten Liebhaber (Oliver Fox) auf einen kahlen, missmutigen und orientierungslosen Mann namens Dr. Norman Wilfred. Der hat neben seinem Gepäck und der Orientierung auch sein Selbstvertrauen verloren – praktisch alles, was er besitzt, außer den Text eines x-fach gehaltenen Vortrags…
Die brüllend komische Geschichte von Sein und Schein mixt englischen Humor mit einer guten Portion Gesellschaftskritik. Leider ist die Leseprobe recht kurz und der Anfang spiegelt nicht wirklich den Sprachwitz und das Tempo wieder, das die Story später aufnimmt. Deshalb hier unbedingt einige kleine Zitate:
“…Sie sah, wie er näher kam. Er lächelte noch immer. Sie lächelte auch noch immer, merkte sie.
“Dr. Wilfred?” sagte sie.
“Ich kann nicht lügen”, sagte Oliver. Nein – sagte Dr. Wilfred.
Sie wollte eindeutig, dass er Dr. Wilfred war, das sah er. Später, wenn sich herausstellte, dass er doch nicht Dr. Wilfred war, wäre sie wahrscheinlich enttäuscht. Aber später war später. Von unmittelbarer Priorität war, dass er sie jetzt nicht enttäuschen durfte…” (S.39)
“…neben der Frau im Bett ragte wie eine aufgeblähte Gewitterwolke ein nackter Bauch auf. Aus dem dichten schwarzen Busch darunter baumelte ein langes männliches Glied. Über der Gewitterwolke stapelten sich weitere Stockwerke behaarten Fleisches, auf dem ganz oben, wie Zeus auf dem Olymp, ein kühn gemeißeltes Gesicht saß, eingerahmt von einem kurzgeschnittenen grauen Bart und einer Fülle prächtiger grauer Locken, aus dem wie Donnerkeile aufgeregtes und unverständliches Griechisch herunterprasselten…” (S.72)
“…Alle blickten zu etwas hin, was mittendrin passierte…er war es. Dr. Wilfred passierte…“(S. 92)
“…Es gab die üblichen Schwierigkeiten in letzter Minute – eine tote Katze im Joghurteimer in der Küche, (…) und die üblichen Absagen in letzter Minute. Seine Exzellenz Scheich Abdul Hilal bin-Taimour bin Hamus bin-Ali al-Said hatte beschlossen, zwei Ehefrauen mehr als ursprünglich angekündigt mitzubringen. Der Bischof des Hesperiden-Archipels und von Teilen von Kronikae und Topikos drohte mit Abreise, sollte er am selben Tisch platziert werden wie der Präsident des panhellenischen Rationalistenvereins…” (S.121)
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