Dieser Nr.1 Bestseller aus Neuseeland ist ein ruhiger, stiller Roman, der seine Spannung zu einem großen Teil aus der Innensicht der Protagonistin zieht…

Als Ich-Erzählerin Marion lernen wir sie kennen, in eingeschobenen kursiv gedruckten Rückblenden aus der Sicht eines neutralen allwissenden Erzählers erfährt der Leser nach und nach die schrecklichen Ereignisse aus der Zeit, als sie noch Marianne hieß, die zu ihrem gegenwärtigen Zustand geführt haben.

Die Mittdreißigerin lebt oder besser vegetiert an der rauen Nordwestküste Neuseelands vor sich hin, hat die Vergangenheit, Europa und ihren Beruf als Ärztin aufgegeben und versucht sich nun als Künstlerin. Sie verbringt die Zeit mit Wandern, Kochen, Strandgut sammeln. Dabei stolpert Marion eines Tages am Strand über einen kleinen, verstört wirkenden Jungen, Ika.

Die beiden nähern sich zaghaft an und der Junge besucht Marion zunächst nur jeden Donnerstag zum Essen. Dabei zeigen sich erste Folgen seiner seelischen Verletzungen, das Kind wirkt fast autistisch. Doch auch Marion hat eine Mauer um sich aufgebaut und so bleibt auch sie zu ihrer Umwelt auf Distanz. Eines Tages muss sie den Jungen aus dem Meer retten, und erkennt, dass sie ihm mit mehr als Nahrung helfen muss. Doch gerade als sich eine zaghafte Freundschaft zwischen den Seelenverwandten anbahnt, droht ihnen die Trennung – die wachsende Idylle ist bedroht. Unerwartete Hilfe kommt von Marions eigenbrötlerischem Nachbarn George…

Linda Olsson hat den Roman sparsam mit Personal ausgestattet, konzentriert sich ganz auf ihre Protagonistin und den Jungen, der sich jedoch nicht öffnet und so auch dem Leser eigentümlich fremd bleibt. Doch das Hier und Jetzt bildet nur die Rahmenhandlung, die Spannung verbirgt die Autorin in den geschickt gesetzten Rückblenden: da gibt es üble Ereignisse und bis zum Schluss überraschende Wendungen – und deshalb darf hier auch nicht mehr verraten werden.

Ein schöner, gefühlvoller Schmöker aus dem Gastland der Buchmesse, dessen Plot die Autorin geschickt an der Grenze zum Kitsch vorbei manövriert. Feine Herbstlektüre und im Paperback auch ein schönes Mitbringsel!

Linda Olsson, geboren in Schweden, studierte Jura und arbeitete im Finanzgeschäft. Sie lebte in Kenia, Singapur, Japan und England und hat sich schließlich mit ihrem Mann in Neuseeland niedergelassen. 2003 gewann sie den Kurzgeschichten-Wettbewerb der Sunday Star Times. Ihrem Debütroman “Die Dorfhexe” gelang sofort der Sprung auf die internationalen Bestsellerlisten.