Man nehme …
Books | Posted 25/11/2012 | Kochen & Geniessen, Orell Füssli, Sachbuch | Keine Kommentare »In alten Kochbüchern spiegelt sich das Verhältnis früherer Generationen zum Essen. Als Kochanleitung dienen sie heute aber kaum noch, denn Mengenangaben und Arbeitsschritte sucht man darin meist vergeblich…
Text: Benjamin Gygax
Kochen ist eine besondere menschliche Tätigkeit. Sie kann einfache Alltagsverrichtung, Kunstform oder sogar Wissenschaft sein. So vielfältig wie das Kochen selbst sind auch die Kochbücher. Ihre enorme Fülle lässt sich grob in drei Gruppen teilen. Die erste Gruppe richtet sich an Anfänger und enthält meist auch Informationen zu Küchentechnik und Warenkunde. Die zweite ist auf Hobbyköchinnen und -köche zugeschnitten und in der Regel mit schönen Fotografien illustriert. Die dritte Gruppe schliesslich bilden dicke Wälzer, aus denen Berufsleute ihr Wissen beziehen.
Tipps aus der Antike
Natürlich gab es nicht schon immer so viele Kochbücher wie heute. Schliesslich war Pergament einst ein teurer Rohstoff – und vor allem konnte kaum jemand Rezepte schreiben oder lesen. Es gibt aber Ausnahmen von sehr alten Kochbüchern aus Asien. Aus Indien ist ein etwa 3500 Jahre altes in Sanskrit verfasstes Kochbuch namens «Vasavarajeyam» überliefert. Und um 500 bis 100 v. Chr. entstanden in China die Aufzeichnungen über die Etikette oder «Li-Chi». Sie enthalten genaue Schilderungen von Menüabfolgen und auch einzelne Rezepte. Die «Acht Köstlichkeiten» zum Beispiel stehen immer noch auf der Menükarte vieler Chinarestaurants. In Europa schliesslich ist um die Zeitwende herum «De re coquinaria» entstanden. Es ist eines der ältesten erhaltenen Kochbücher der Welt und wurde in einer Abschrift aus dem 3. oder 4. Jahrhundert überliefert. Das so genannte Apicius-Kochbuch stammt wahrscheinlich von mehreren Autoren, darunter dem römischen Bonvivant Marcus Gavius Apicius, der ihm den Namen gab. Das Apicius-Kochbuch wurde bis ins Mittelalter verwendet.
Kochen nach Gefühl
Die meisten frühen Überlieferungen teilen eine Besonderheit: Ihre Autoren beschrieben Speisen oft im Zusammenhang mit ihren gesundheitsförderlichen oder heilenden Eigenschaften. Diese Tradition besteht bis heute in der Fülle von Diät-, Trennkost- oder Ayurveda-Kochbüchern weiter. Und sie lässt sich noch im Wort «Rezept» erkennen, das in der Küche ebenso wie in der Apotheke verwendet wird. Eine der ältesten mittelalterlichen Rezeptsammlungen Europas ist das Würzburger Kochbuch «daz buch von guter spîse» aus dem Jahr 1350. Auch dieses Buch war ein Kapitel einer viel breiter konzipierten medizinischen Wissenssammlung. Aus dem Jahr 1485 stammt schliesslich ein eigentliches Kochbuch für die gehobene Küche und zugleich das erste gedruckte Kochbuch im deutschsprachigen Raum: Herausgegeben wurde «Kuchen maysterey» in Nürnberg von Peter Wagner. Wie alle frühen Kochbuchautoren verzichtete auch Wagner darauf, Mengenangaben und Kochtechniken zu beschreiben – dieses Wissen wurde schlicht vorausgesetzt. Einen Platz in der Geschichte hat sich «Ein new Kochbuch» von 1598 verdient, denn es handelt sich um das erste gedruckte Kochbuch einer Frau – es stammt von der Baslerin Anna Weckerin. Bis zu dieser Zeit begannen Rezepte mit den Worten «Wiltu machen» oder schlicht «Nimm». Die bis heute sprichwörtliche Formulierung «Man nehme» stammt von Henriette Davidis. Die bekannteste deutsche Kochbuchautorin verfasste 1844 das «Praktische Kochbuch», das in unzähligen Auflagen immer wieder neu gedruckt wurde.
Die Franzosen bleiben ungeschlagen
Wer sich jetzt wundert, wo das Land der Gastrokönige bleibt: Die Franzosen haben natürlich zu allen Zeiten Klassiker geschaffen. 1651 war es «Le cuisinier François» von François-Pierre de La Varenne, der die französische mit der italienischen Küche der Renaissance verband und damit den Ruhm der französischen Küche begründete. Marie-Antoine Carême kochte für fast alle gekrönten Häupter Europas und verfasste 1833 mit «L’art de la Cuisine française» das Standardwerk ihrer Zeit. Ein Exot ist dagegen Baron Carl Otto Unico Ernst von Malortie. Der Jurist, Oberhofmarschall und Minister des Königreichs Hannover schuf 1887 ein Standardwerk, «Das Menu». Es wurde 1902 von George Auguste Escoffiers «Le Guide culinaire» abgelöst. Heute ist immer noch «Der grosse Larousse Gastronomique» die graue Eminenz in der Küche. Er wird seit 1938 immer wieder neu aufgelegt.
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