Von der Hoffnung auf ein besseres Leben
admin | Posted 04/12/2012 | Belletristik | Keine Kommentare »In „Wovon wir träumten“ erzählt Julie Otsuka die Geschichte japanischer Immigrantinnen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Pazifik überqueren, um in Amerika, dem gelobten Land ihr Glück zu finden. Auf der anderen Seite des Ozeans warten – so glauben sie zumindest – ihre künftigen Ehemänner, stattliche Japaner die es in der neuen Welt zu Wohlstand gebracht haben. Doch der Ankunft im Hafen folgt eine bittere Erkenntnis: Die Fotos, die den Frauen vor der Reise nach Japan geschickt wurden, sind veraltet, die Häuser im Hintergrund der Bilder gehören Fremden, und das Leben in den USA entpuppt sich für die „Picture Brides“, in den meisten Fällen als genauso hart wie in der Heimat.
In dem im mare Verlag erschienen Roman schildert Julie Otsuka das kollektive Schicksal junger Japanerinnen, die all ihre Hoffnung auf einen Neuanfang setzten. Um der Vielzahl der Geschichten, den unterschiedlichen Lebensläufen der „Picture Brides“ in der neuen Welt gerecht zu werden, greift die Autorin auf einen Kunstgriff zurück: Sie erzählt aus der Perspektive des Kollektivs, baut auf nahezu poetische Art und Weise den schweren Inhalt in leichte, elegante Sprache. Ein Chor weiblicher Stimmen lässt uns teilhaben an den Hoffnungen der Überfahrt, der Ernüchterung nach der Ankunft, dem Alltag in Amerika, dem Heimweg nach Japan und dem erneuten Aufbruch, als die Frauen während des zweiten Weltkrieges zu Feinden und wieder vertrieben werden.
Neben der Fantasie bedient sich die Autorin zahlreicher geschichtlicher Quellen, die gekonnt in den Text eingeflochten sind und verknüpft so historische Fakten mit dem emotionalen Zustand ihrer namenlosen Heldinnen. Herausgekommen ist dabei ein schmaler Band, der zu den großen Überraschungen gehört, die einen in der Literatur dankenswerter Weise immer einmal wieder erwarten. Nicht ohne Grund hat Julie Otsuka, selbst japanisch stämmige Amerikanerin, für „Wovon wir träumten“ 2011 den renommierten PEN/Faulkner Preis erhalten.
“Ich habe so etwas noch nie gelesen. Das Buch hat mich sehr beeindruckt. Wie Julie Otsuka erzählt, atemlos, immer in der Wir-Perspektive, das ist atemberaubend. Ein Kollektivschicksal wird dadurch plötzlich individuell. Was die Autorin gemacht hat, ist ein Wunder.”
Elke Heidenreich im Schweizer Literaturclub