Chuzpe und Humor Teil 3
admin | Posted 20/01/2013 | Belletristik, Orell Füssli | Keine Kommentare »Der Holocaust prägt die jüdische Literatur noch immer. Mehrere Neuerscheinungen zeigen, dass dies eine packende, ja vergnügliche Lektüre keineswegs ausschliesst…
Text: Markus Ganz
Die Moral von «gut gemeint»
Politik sei untrennbar mit dem jüdischen Volk verbunden, schreibt Nir Baram, der sich aktiv für die Gleichberechtigung der Palästinenser und für Frieden in Israel einsetzt. Allein schon der Titel seines Buches «Gute Leute» regt im Zusammenhang mit dem Holocaust zum Nachdenken an. Was war mit den Leuten, die weder Täter noch Opfer waren? Der 1977 in Jerusalem geborene Autor schreibt psychologisch feinsinnig über «gute Leute», deren Handeln trotzdem allzu oft entsetzliche Folgen hatten. Und er fragt damit gleichzeitig, ob es reicht, gut zu sein – und ob wir selbst besser gehandelt hätten als seine Figuren.
Im Mittelpunkt des Romans stehen zwei Menschen mit völlig verschiedenem Hintergrund. Der eine ist ein deutscher Werbefachmann in Berlin, der als Karrierist keine Gelegenheit auslässt, um sich zu profilieren. Er muss 1938 in seinem eigenen Umfeld erfahren, wie ein ehemaliger Freund als Mitglied der SS zu wüten beginnt. Trotzdem kann er kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges der Anfrage des NS-Aussenministeriums nicht widerstehen, ein Profil des polnischen «Volkscharakters» zu erstellen, das bald auf entsetzliche Weise verwendet wird. Zweite Hauptfigur ist eine russische Jüdin, die zur selben Zeit mit ihren Eltern in einer regimekritischen Leningrader Gruppe verkehrt. Als ihre Eltern deportiert werden, wird sie von einem ehemaligen Schulfreund gerettet, der Mitglied des sowjetischen Geheimdiensts ist – und sie verrät die Freunde ihrer Eltern in der Hoffnung, damit ihre Brüder retten zu können. 1941 treffen die beiden so unterschiedlichen Hauptfiguren schliesslich aufeinander.