Die Rolling-Stone-Jahre
admin | Posted 14/02/2013 | Autoren, Belletristik, Sachbuch | Keine Kommentare »An was denken Sie bei dem Wort “Gonzo”? An einen verrückten, hakennasigen blauen Muppet mit einer Vorliebe für Hühner? Vielleicht an den Gitarristen einer ehemaligen eher umstrittenen deutschen Band? Hm. Sie sollten dringend ein Buch von Hunter S. Thompson in die Hand nehmen!
“Gonzo-Journalismus” – dieser Begriff ist untrennbar mit dem Schaffen des amerikanischen Schriftstellers verbunden. Dort, wo sonst das Credo des unabhängigen, objektiven Berichterstatters geherrscht hat – in den großen amerikanischen Tageszeitungen und Hochglanzmagazinen – brach Thompson seinerzeit mit den Regeln. Eine journalistische Reise quer durch Amerika, gedacht, um eine Reportage über irgend ein belangloses Thema zu schreiben, wurde gerne mal schnell zu einer durch unzählige Drogeneskapaden vernebelten Ich-Erzählung, bei dem der eigentliche Gegenstand der Berichterstattung zur unwichtigen Nebenhandlung wird – “Angst und Schrecken in Las Vegas”, oder im Original “Fear and Loathing in Las Vegas”, war schon vor der Verfilmung von Terry Gilliam ein Kultbuch vieler Generationen.
Durch soviel Drugs gab es zwar wenig Sex – umso mehr Rock ‘n’ Roll naturgemäß aber bei Hunter S. Thompsons Arbeiten für das “Rolling Stone”-Magazin. Schon in dessen Anfangstagen empfahl sich der etwas andere Journalist dem Blatt – sämtliche Arbeiten, Reportagen und Essays, die er für die Zeitschrift geschrieben hat, sind in einer dicken Ausgabe nun auch erstmals komplett in deutsch erhältlich. Angereichert werden “Die Rolling-Stone-Jahre” mit einigen Briefwechseln zwischen Thompson und dem amerikanischen Blattgründer Jann Wenner.
Die Zeitspanne umfasst mehrere Jahrzehnte amerikanischer Geschichte – angefangen von den 70ern mit ihrer jungen, wilden Generation, die gegen den Vietnamkrieg auf die Straßen ging und später durch den Watergate-Skandal von der Politik völlig desillusioniert zurück gelassen wurde, bis zu dem amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2004.
Denn natürlich ist dieses Buch nicht nur eine Geschichtsdokumentation über die amerikanische Gesellschaft, sondern vor allem über ihre Politik. Und somit dürfte Hunter S. Thompson nun auch von seinen etwas objektiver berichtenden Kollegen und allen Americaficionados als das wahrgenommen werden, was er trotz seines eigenwilligen Schreibstils war: ein großer Chronist seiner Zeit.
Text: Dominik Roth