Die Bestien von Belfast

admin | Posted 26/06/2013 | Krimi | Keine Kommentare »

Text: Dominik Roth

Hoppla – Belfast schickt sich gerade ein bisschen an, ein toller Schauplatz für gute Kriminalliteratur zu werden. Finden sich Colin Batemans Romane um den etwas trotteligen Buchhändler mit genialem detektivischen Spürsinn eher auf der humoristischen Seite, zeigt Sam Millar mit seiner Figur Karl Kane genau in die andere Richtung: zynisch, brutal und äusserst blutig sind die Verbrechen in Nordirlands Hauptstadt.

Was für ein Einstieg: eine Frau wird von Jugendlichen gejagt und gefangen. Es folgt eine Massenvergewaltigung, anschliessend dürfen sich wilde Hunde an ihrem Fleisch gütlich tun.
Diese grausame Szene spielt zwar einige Jahre vor der eigentlichen Handlung, wird in der folgenden Geschichte aber definitiv wieder aufkommen.

Auftritt Karl Kane: Privatdetektiv in mittlerem Alter, nicht viel zu tun, ausser ab und an mit seiner Sekretärin ins Bett zu hüpfen und sich an den Hämorrhoiden zu kratzen. Soweit wenig erwähnenswert, würde sich nicht doch ein Kunde in sein Büro verirren.

Im Botanischen Garten ist ein Mord geschehen, der Klient wünscht sich alle Hintergrundinfos über den Toten. Ergo soll der Schnüffler mal ran. Na gut, denkt der sich, ich habe ja noch ein paar Beziehungen zu den netten Detectives und so, also beschafft er das Gewünschte. Als Belohnung darf er gleich das Leben eines weiteren Toten ausleuchten. Und da die Zeiten des nordirischen Bürgerkrieges erst mal vorbei sind, sind zwei Morde ja schon sehr verdächtig. Irgendwie scheinen sie auch zusammenzuhängen. Und schon beginnt der Schlamassel.

Mehr über den Plot zu verraten, wäre äusserst unangebracht. Bei einer Seitenanzahl, die knapp unter 300 liegt, scheint es davon vielleicht nicht viel zu geben, davon sollten Sie sich allerdings nicht täuschen lassen. Die Handlung, die rasant an Fahrt aufnimmt, ist äusserst komplex. Kein Grund für den Autor aber, sich in grosser Fabulierkunst zu verlieren. Die Sprache ist dreckig, knapp und präzise, die Schauplätze liegen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Und trotzdem wird am Ende das ganz grosse Rätsel überzeugend aufgedröselt und gelöst. Was bei Sam Millar nicht wirklich üblich ist – na ja, in seinem eigenen Lebenslauf zumindest.

Den Tag, der als „Bloody Sunday“ in die Geschichte Nordirlands eingegangen ist, erlebt er hautnah mit. Später, selbst ein Mitglied der IRA, wird er festgenommen. Aus dem Gefängnis heraus soll er 38 Mitgefangenen zur Flucht verholfen haben. Unter falschem Namen immigriert er später in die USA. 1993 soll er 7,4 Millionen Dollar bei einem Überfall auf einen Geldtransporter erbeutet haben. Die Richter können ihm lediglich den Besitz des gestohlenen Geldes nachweisen, nicht den Raub selbst. Natürlich ist Sam Millar nicht dumm und hält die Klappe – weder über die Tat selbst noch über seine möglichen Komplizen gibt er Auskunft. Dieser Teil seiner Biographie wird also ein bisschen im Dunkeln bleiben. Nicht so sein literarisches Schaffen hierzulande – mit „Die Bestien von Belfast“ erscheint nun erstmals eines seiner Werke in deutscher Übersetzung (welche Joachim Körber hervorragend ins Deutsche übertragen hat). Das macht Spass und verlangt nach mehr – der nächste Titel ist bereits angekündigt. Irgendwie freuen wir uns schon jetzt darauf.

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Titel:
Die Bestien von Belfast: Ein Fall für Karl Kane 1

ISBN-13:
9783855355105

Autor:
Sam Millar

Verlag:
Atrium-Verlag, Hamburg

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