Viel lustiger als gedacht!
Petra Bohm | Posted 25/08/2013 | Belletristik | 1 Ein Kommentar »In “Tausche Ex gegen Sex” verlässt die knapp 40jährige Ich-Erzählerin Marlene am Heiligabend Gatten und Kinder und stürzt sich in das wilde Grossstadt-Single-Leben. Kabarettistin und Comedy-Autorin Annette Kruhl (Die dreisten Drei, Weibsbilder) beschreibt Marlenes Sexkapaden nicht nur umwerfend komisch, sondern lässt auch Raum für nachdenkliche Passagen…
Musikerin und Komponistin Marlene ist seit 14 Jahren verheiratet und hat sich mit einem bürgerlichen Leben an der Seite ihres langweiligen und spiessigen Ehemannes abgefunden – was tut man nicht alles für eine heile Familie, um die Kinder vor Trennungsschmerz etc. zu bewahren.
Auf der Aftershowparty einer Filmpremiere landet Marlene mit dem 23jährigen Hauptdarsteller im Bett, bzw. zunächst im Aufzug. Nach diesem aufregenden One-Night-Stand wächst ihr Unmut über ihre Lebenssituation und in gleichem Masse schwindet ihre Selbstbeherrschung. Heiligabend steht vor der Tür und damit auch die furchtbaren Schwiegereltern, denen Sie nach 13 Jahren endlich mal so richtig die Meinung geigt. Eine umwerfend komische Szene, bei der man sich wünscht, selbst im Leben einmal so gepflegt zu explodieren. Bereits am nächsten Tag packt Marlene ihre sieben Sachen und zieht aus – in ihr Musikstudio-Loft.
Die gelassene Reaktion der Kinder auf die Trennungsankündigung der Eltern macht ihr diesen Entschluss leicht und die Autorin schreibt die Kinder dann auch über Silvester samt (Ex)gatten und Schwiegereltern in den Skiurlaub und somit auch weitestgehend aus der Handlung. In der dreht es sich nun um die wilden Erlebnisse der Neu-Single-Frau im Berliner Nachtleben. Wie im Titel angekündigt geht es dabei eigentlich fast immer um Sex, der allerdings nie explizit beschrieben wird, dafür die oft höchst grotesken Situationen mit den unterschiedlichsten Männern drumherum. Das liest sich unterhaltsam, aber man teilt auch die Gedankengänge der Protagonistin, die von den neuen Liebhabern zwar immer wieder hört, was für eine tolle Frau sie sei, aber offensichtlich nicht für eine Beziehung:
“…Die wenigsten Männer dulden einen anderen Gott neben sich selbst. Sie gehen zwar mit den “tollen Frauen” gerne mal für eine Nacht ins Bett, kehren danach aber zu ihren langweiligen Tussen zurück. Und was genau folgt daraus? Tolle Frauen haben am Ende zwar vielleicht jeden Mann mal für eine Nacht, aber auf Dauer niemanden und die Verkäuferinnen mit den dicken Titten und den Verona-Pooth-Stimmen kriegen die tollen Männer zwar als festen Partner ab, müssen aber damit rechnen, dass diese sie nach Strich und Faden mit den tollen Frauen betrügen.”
Genervt ist Marlene auch von der Unverbindlichkeit der Generation um die Dreissig: “…heutzutage will sich keiner mehr festlegen, alle wollen sich alles offenhalten, haben zwar masslose Ansprüche, wollen aber gleichzeitig grösstmögliche Unverbindlichkeit.”
… “Bilde ich mir das nur ein, oder haben wir in Sachen Liebe und Beziehungen jedes Mass verloren? Sind wir so verzweifelt auf der Suche nach Alternativen zu traditionellen Beziehungsformen, dass wir völlig orientierungslos und egozentrisch geworden sind?” … “…offenbar leben wir in einer Welt, in der grosse Gefühle eine Halbwertzeit von maximal vierundzwanzig Stunden haben, in einer Welt, in der man sich nicht mehr festlegen will, weil immer noch etwas “Besseres” kommen könnte.
Nicht nur Leserinnen, die Marlenes Gedankenwelt teilen, erwartet 360 Seiten grosser Lesespass im praktischen Klappbroschur! Erfreulich auch das Ende und soviel darf verraten werden: Marlene kehrt NICHT geläutert zu ihrem Gatten zurück.
Ich finde, diese Kritik hier ist sehr hilfreich. Ich habe die Lese-Show dazu gesehen und denke, da wurden eher die unterhaltsamen Passagen raus gepickt.
Klingt so, als ob da viel mehr drinsteckt. Finde es auch nicht schlimm, dass ein bisschen was zum Ende verraten wird. War für mich nämlich schon ein großes Fragezeichen, aber jetzt bin ich wirklich neugierig.
Meinen Bericht zum Buch-Release-Event in Berlin gibt es hier: http://popshot.over-blog.de/article-annette-kruhl-tausche-ex-gegen-sex-lese-show-zum-buch-120192495.html