Atmen, bis die Flut kommt
admin | Posted 09/11/2013 | Belletristik | Keine Kommentare »Der dritte Roman von Beate Rothmaier erzählt fesselnd und einfühlsam die Geschichte eines überforderten, allein erziehenden Vaters und seiner behinderten Tochter…
Vielleicht ist dieser Roman, auch wenn er ansonsten keine autobiografischen Züge zeigt, so gut gelungen, weil die Autorin selbst Mutter eines behinderten Kindes ist. Dies konfrontierte sie mit der Erfahrung, dass es Lebensumstände gibt, die unabänderlich, einfach „Schicksal“ sind. Aber inwiefern ist es unentrinnbar, wie kann es akzeptiert werden oder muss es akzeptiert werden? Das sind die zentralen Fragen, die das Buch seinen Lesern stellt.
Rothmaier steigt mit Ich-Erzähler und Protagonist Konrad gegen Ende der Handlung ein: Der erfolglose Comiczeichner startet in Zürich mit seiner 17jährigen, behinderten Tochter Lio auf einen Trip an die winterliche Ostsee. Dort will er sie an einem Strand „entsorgen“, nach Jahren, die er unfreiwillig diesem Kind aufopferungsvoll gewidmet hat, er will wieder für sich da sein, sein Leben wieder selbst bestimmen. Eine erschreckende Entscheidung.
In eingeschobenen Rückblenden während dieses Road-Trips erfährt der Leser nun, wie es zu der unheilvollen Entwicklung gekommen ist. Nach einer kurzen Beziehung mit der schwierigen, unsteten Paule teilt diese Konrad mit, dass sie schwanger ist. Das Kind wird geboren und trägt eindeutige Merkmale einer Behinderung, ist „anders“. Paule fährt allein mit dem Kind nach Paris und lässt es dort einfach zurück, doch Konrad kann das Baby ausfindig machen. Als er mit Lio zurück nach Zürich kommt, ist Paule verschwunden, geflohen vor der Verantwortung. Für den jungen Comiczeichner, der selbst ziemlich verplant ist (so, dass man ihn manchmal schütteln möchte) ein Drama. Plötzlich muss sich Konrad in einem Alltag einrichten und zurechtfinden, den er für sich selbst so nie erdachte hatte, ist verantwortlich für das Geschöpf, das er inniglich liebt, das ihn zugleich aber innerlich auffrisst. Er sehnt sich nach einer Beziehung, doch seine Zeit reicht nicht mal für ihn selbst. Schliesslich gibt er Lio in ein Heim – und holt sie wieder ab. Eine Entscheidung für das Leben mit Lio. Bis zu dem Tag, an dem er zu seinem Vorhaben aufbricht und der am Ende zu einer Wendung in seinem Leben führt…
Ein stilistisch besonderer, nachdenklich stimmender Roman, mit eingestreuten Elementen aus dem Graphic-Novel-Bereich, der seine Leser fordert, aber dafür auch mehr als ausreichend belohnt. Eindringlich und umso eindrucksvoller erzählt, als das die 50jährige Autorin einem jungen Mann ihre Stimme gibt.
Hier ein Interview mit der Beate Rothmaier auf dem blauen Sofa der Frankfurter Buchmesse